Gewerbe

[782] Gewerbe (von »werben«, etwas zu erlangen suchen), im weitern Sinne jede berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit zum Zwecke des Erwerbs. In diesem Sinne sind auch die freien Berufe der Kunst und Wissenschaft als G. aufzufassen, sobald sie gewerbsmäßig ausgebeutet, d. h. Erwerbszwecken dienstbar gemacht werden; ebenso spricht man von Landwirtschafts-, Handels-, Preß-, Schenk-, Versicherungs-, Transportgewerbe etc. Im engern Sinne bezeichnet man mit G. nur jene berufsmäßige Erwerbstätigkeit, die durch Bearbeitung von Rohstoffen (Stoffveredelung) wertvollere Güter herstellt (Gewerbfleiß, Industrie) und zwar im Gegensatz zur Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Bergbau, Fischerei, Jagd), zu Handel, Transport und persönlichen Dienstleistungen, dann auch den betreffenden ganzen Produktionszweig. Im wesentlichen diesen Begriff hat man im Auge, wenn das Wort G. in Zusammensetzung mit andern Worten[782] (Gewerbeschule, Gewerbekammer etc.) gebraucht und von landwirtschaftlichen Nebengewerben gesprochen wird. Allerdings sind Sprachgebrauch, Gesetzgebung (Gewerbeordnung, Gewerbesteuer) und Statistik (Gewerbezählung) schwankend. In den Gewerbeordnungen werden als G. meist aufgefaßt: 1) das G. im engern Sinne (Handwerk, Industrie), 2) der Handel und das Transportwesen, 3) die Versicherung, 4) die sonstige Erwerbstätigkeit, sofern sie nicht häuslicher Gesindedienst oder eine höhere Geistestätigkeit ist; ausgeschlossen davon sind nur: a) die Urproduktion, b) der häusliche Gesindedienst, c) der wissenschaftliche und künstlerische Erwerb, d) die Tätigkeit der Beamten. Die Gewerbezählung des Deutschen Reiches von 1895 erstreckte sich auf 21 Gewerbegruppen: 1) Kunst- und Handelsgärtnerei, Baumschulen; 2) gewerbsmäßige Tierzucht (ohne die Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere), auch Fischerei; 3) Bergbau-, Hütten- und Salinenwesen, Torfgräberei; 4) Industrie der Steine und Erden; 5) Metallverarbeitung; 6) Maschinen, Instrumente und Apparate; 7) chemische Industrie; 8) Industrie der Leuchtstoffe, Seifen, Fette, Ole; 9) Textilindustrie; 10) Papierindustrie; 11) Lederindustrie; 12) Holz- und Schnitzstoffe; 13) Nahrungs- und Genußmittel; 14) Bekleidung und Reinigung; 15) Baugewerbe; 16) polygraphische G.; 17) künstlerische G.; 18) Handelsgewerbe; 19) Versicherungsgewerbe; 20) Verkehrsgewerbe; 21) Beherbergung und Erquickung. Von diesen 21 Gruppen gehören zum G. in dem ersten, engern Sinne nur die Gruppen 5–17 und ein Teil der Gewerbeklassen in den Gruppen 3,4 und 21. Vgl. Artikel G. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900); Haushofer, Der Industriebetrieb (2. Aufl., Münch. 1904); Boureart, Die Grundsätze der Industrieverwaltung (Zür. 1874); Redl, Elemente der Organisation und Administration industrieller Unternehmungen (Wien 1900); Trillich, Gewerbliche Betriebskunde (Leipz. 1902); Wolfrum, Die Methodik der industriellen Arbeit als Teilgebiet der technischen Chemie (Stuttg. 1904); O. Simon, Die Fachbildung des preußischen Gewerbe- und Handelsstandes (Berl. 1902); Grothe, Bilder und Studien zur Geschichte der Industrie (2. Aufl., das. 1875); v. Scherzer, Weltindustrien (Stuttg. 1880); Atkinson, The industrial progress of the nations (Lond. 1890); Dyer, Evolution of industries (das. 1895); Mulhall, Industries and wealth of nations (das. 1896); Bleunard, Histoire générale del'industrie (Par. 1894, 3 Bde.); Weiteres bei Artikel »Gewerbebetrieb« und »Gewerbestatistik«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 782-783.
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