Martinovics

[370] Martinovics (spr. -itsch), Ignaz Josef, ungar. Demokrat, geb. 20. Juli 1755 in Pest, gest. 20. Mai 1795 in Ofen, trat in den Franziskanerorden, verließ aber 1781 das Kloster und bereiste mit dem Grafen Potocki Westeuropa, wurde 1783 Professor der Physik[370] an der Lemberger Akademie und schrieb in lateinischer Sprache mehrere Fachwerke. 1791 kam er als Chemiker an den Hof Leopolds II. nach Wien, verlor aber unter Franz I. seiner liberalen Gesinnungen halber diese Stelle und sollte in sein Kloster zurückkehren. Aus gekränktem Ehrgeiz und voll Unmut über die eingetretene Reaktion gab er mehrere anonyme Pamphlete und das Werk: »Testament politique de l'empereur Joseph II« (Wien 1791, 2 Bde.) heraus, worin er die Zensur und das Polizeiregiment verdammte. Bald darauf trat er durch Vermittelung G. Forsters (s. d. 2) mit Moreau, einem Agenten der französischen Jakobiner, in Verbindung und verfaßte zur Verbreitung der demokratischen Ideen Rousseaus den »Catéchisme de l'homme et du citoyen« (auch in ungar. Übersetzung erschienen). 1794 gründete er zwei geheime Gesellschaften zum Sturze des Absolutismus und der privilegierten Stände. In zweiter Linie faßte er die Gründung einer Republik ins Auge; doch waren selbst die vier »Direktoren« der Verschwörung: Laczkovics, Hajnóczy, Szentmarjai und Graf Sigrai, nicht in alle Pläne eingeweiht. Die Verschwörung zählte erst 75, den gebildeten Klassen angehörige Mitglieder, als die Wiener Polizei durch Verrat von der Sache erfuhr und M. 23. Juli 1794 in Wien verhaftete. Unter Verletzung der gesetzlichen Normen in Pest des Majestätsverbrechens und Aufruhrs halber samt sechs andern zum Tode verurteilt, ward er 20. Mai 1795 auf der Ofener »Blutwiese« (Generalwiese) enthauptet. Die Reformpartei sah in ihm den Vorkämpfer der demokratischen Ideen und einen Märtyrer; doch blieb sein Grab ohne Gedenkstein und ist heute verschollen. Vgl. Szirmai, Jacobinorum Hungaricorum historia (Handschrift in der Bibliothek des Nationalmuseums); W. Fraknói, M. und seine Genossen (in ungar. Sprache, Budap. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 370-371.
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