Osterspiele

[215] Osterspiele, im Mittelalter dramatische Spiele, die zur Osterfeier in und außerhalb der Kirche ausgeführt wurden (vgl. Ostergebräuche). Die O. sind die älteste nachweisbare Form des christlichen Dramas (vgl. Geistliche Schauspiele). Sie entwickelten sich aus einem lateinischen Wechselgesang zwischen den Engeln und den drei Marien am Grabe, der am Ostermorgen in den Kirchen vorgetragen wurde und bis in den Anfang des 10. Jahrh. zurückreicht. Wie es scheint, wurde es seit der Mitte des Jahrhunderts üblich, daß die Geistlichen bei diesem Wechselgesang eine Art von Verkleidung anlegten und ihn mit den entsprechenden Gestikulationen begleiteten; der Wettlauf der Apostel Petrus und Johannes zum heiligen Grabe, das Erscheinen des Auferstandenen vor Maria Magdalena, die Verhandlungen der drei Frauen mit dem Salbenhändler, die Bestellung der Grabeswächter durch Pilatus und die Juden, Christi Höllenfahrt kamen hinzu. Während die Texte der ältesten Darstellungen (»Osteroffizien«) nur aus Stücken der Festevangelien sowie aus kirchlichen Hymnen und Sequenzen zusammengesetzt waren, entstanden im 12. Jahrh. ausführlichere Behandlungen in gefälligen lateinischen Versen, und bald begann man auch O. in den Volkssprachen zu dichten, noch im 12. Jahrh. in Frankreich, im 13. Jahrh. in Deutschland. Der älteste deutsche Text (aus dem Kloster Muri in der Schweiz, früher fälschlich als Passionsspiel bezeichnet) bewegt sich im Stil der gleichzeitigen höfischen Dichtung; die spätern deutschen Texte sind im volkstümlichen Stil gehalten, vor allem in den breit ausgeführten komischen Zutaten, zu denen besonders der Salbenhändler, die Juden, die Soldaten, die das Grab bewachen, und die Teufel Anlaß gaben. Das Innsbrucker Osterspiel (14. Jahrh.), in dem der Salbenhändler und sein Knecht Rubin die Hauptrolle spielen, kann als das älteste deutsche komische Drama bezeichnet werden, das niederdeutsche Redentiner Osterspiel (15. Jahrh.) ist vor allem wegen einer humoristisch-satirischen Teufelsszene bemerkenswert. Im spätern Mittelalter wurden die O. häufig mit den Passionsspielen (s. d.) verschmolzen. Lateinische O. veröffentlichten Coussemaker, Drames liturgiques du moyen-âge (Par. 1861), Milchsack (Wolfenbüttel 1880) und K. Lange (Münch. 1887), das Innsbrucker Mone (»Altteutsche Schauspiele«, Quedlinburg 1841), das Redentiner zuletzt K. Schröder (Norden 1893) und in gemeindeutscher Sprache A. Freybe (Gütersl. 1901). Vgl. Creizenach, Geschichte des neuern Dramas, Bd. 1 (Halle 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 215.
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