Rhēum

[874] Rhēum L. (Rhabarber), Gattung der Polygonazeen, ausdauernde Kräuter mit dickem, holzigem, häufig mehrköpfigem Rhizom, sehr großen, langgestielten, ganzrandigen, buchtig gezahnten oder handförmig gelappten, am Rand oft welligen Blättern, häutigen, verwelkenden Tuten, in meist sehr großen Rispen, seltener in Ähren stehenden Blüten und dreikantiger, dreiflügeliger Frucht. Die Arten neigen außerordentlich zur Bastardierung, und die Bastarde bringen in der Regel keimfähige Samen. Etwa 20 Arten in Asien von Sibirien bis zum Himalaja und Palästina. R. officinale Baillon (s. Tafel »Arzneipflanzen I«, Fig. 9, mit Text). Die Wurzel, die den Kantonrhabarber liefert, riecht und schmeckt eigentümlich aromatisch, bitterlich herb, enthält Chrysophansäure und Kathartinsäure oder eine naheverwandte Säure, Rheumgerbsäure, harzartige Stoffe, Emodin, Stärkemehl etc., viel oxalsauren Kalk (der beim Kauen der Wurzel knirscht), etwa 13–14 Proz. Asche etc. Der Kronrhabarber stammt von R. palmatum L. var. tanguticum, mit dunkelgrünen, handförmig gelappten Blättern, deren Blattlappen tief eingeschnitten sind, im westlichen China. – Rhabarber, der bei uns als abführendes Mittel, auch in kleinern Dosen bei Störung der Magenverdauung Anwendung findet, wird in chinesischen Werken bereits 2000 v. Chr. erwähnt und scheint auch schon dem Dioskorides bekannt gewesen zu sein. Eine Wurzel Rha oder Rheon, nach dem Fluß Rha (Wolga) benannt, wird im 4. Jahrh. von Ammianus Marcellinus erwähnt und dürfte unser Rhabarber gewesen sein. Die Rhacomawurzel des Plinius kam zunächst aus den Ländern am Schwarzen Meer und hieß daher Rha ponticum, während die durch das Indusland und das Rote Meer über den alten Hafenort Barbarike zugeführte Rha barbarum hieß. Im 12. Jahrh. wurde der Rhabarber wahrscheinlich auch von Indien aus eingeführt, und später, jedenfalls seit Anfang des 16. Jahrh., gelangte die Wurzel ausschließlich durch Sibirien über Moskau in den Handel, und seit 1804 monopolisierte die russische Regierung den Handel, so daß Rhabarber nur über Kiachta eingeführt wurde (Kronrhabarber, moskowitischer, russischer Rhabarber). Auch später, nach Aufhebung des Monopols, blieb die amtliche Kontrolle zur Ausschließung schlechterer Ware im Gebrauch und wurde so streng durchgeführt, daß nach Eröffnung der chinesischen Häfen der Rhabarber mehr und mehr den Seeweg einschlug und der Handel über Kiachta endlich ganz einging. Seit 1860 gibt es keinen Kronrhabarber mehr. Der seewärts ausgeführte chinesische (ostindische, Kanton-) Rhabarber ist viel weniger stark beschnitten als der russische und in der Qualität viel gemischter, oft schwärzlich und innen kernfaul. Als Stammpflanzen des Rhabarbers werden auch R. undulatum L. im Himalaja, R. compactum L., R. australe Don., mit eiförmigen, am Rande stark welligen Blättern, in Transbaikalien genannt; die Wurzeln dieser Pflanzen weichen aber von der Handelsware mehr oder weniger ab. R. Rhaponticum L., mit rundlichen, am Grunde tief herzförmigen Blättern mit gewelltem Rand, im westlichen China, an der Wolgamündung, in den südkaspischen Gebirgen, in Chorasan, am Schwarzen Meer viel kultiviert, hat eine dem chinesischen Rhabarber ähnliche Wurzel, die früher, in Persien noch jetzt, als Surrogat desselben benutzt wurde. Bei Banbury in Oxfordshire wird diese Pflanze seit 1777 kultiviert, und ihre Kultur hat sich bis in die Gegenwart erhalten; auch Frankreich und Ungarn bauen R. Rhaponticum, Mähren R. compactum, Österreichisch-Schlesien R. australe; doch haven alle diese Kulturen nur lokale Bedeutung. Mehrere Kulturformen (Queen Victoria, Magnum bonum, Limaeus, Prince Albert, Paragon) werden auch der sehr starken, saftigen Blattstiele halber angebaut. Diese schmecken angenehm säuerlichsüß und geben, mit Zucker gekocht, ein beliebtes Kompott, werden auch zu Puddings und andern Zubereitungen benutzt. In England wird der Rhabarber zur Gewinnung der Blattstiele in der Nähe aller großen Städte, besonders aber in Yorkshire, kultiviert, auch getrieben. In Frankreich bringt man die Blattstiele als Tartreum auf den Markt. Aus dem Safte der Blattstiele kann mit Wasser und Zucker ein dem Obstwein ähnlicher Wein dargestellt werden; in Persien ißt man die Blätter als Gemüse; die im Frühjahr eben aus der Erde kommende, etwa 25 cm hohe Blütenknospe gibt, wie Blumenkohl zubereitet, eine schmackhafte Speise. Allgemein dienen die Rhabarberarten auch als Zierpflanzen, besonders R. Emodi Wall., vom Himalaja, R. collinianum hort., R. officinale, R. palmatum und var. tanguticum etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 874.
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