Sympathĭkus

[239] Sympathĭkus (sympathischer Nerv, Nervus sympathicus, vegetatives, sympathisches, organisches oder Eingeweide-Nervensystem), derjenige Teil des Nervensystems, der die unwillkürlichen Tätigkeiten des sogen. vegetativen Lebens regelt und so im Gegensatz zu dem animalen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) steht. Die zu ihm gehörigen Nerven verzweigen sich hauptsächlich an den Eingeweiden. Auch bei manchen wirbellosen Tieren (z. B. den Insekten) findet sich ein S. vor und ist mit dem animalen Nervensystem an irgend einem Punkt in Zusammenhang. Dies ist auch bei den Wirbeltieren der Fall, doch wird die Verbindung nicht direkt mit dem Gehirn oder Rückenmark, sondern mit den Rückenmarksnerven getroffen. Zu beiden Seiten der Wirbelsäule (s. Tafel »Nerven des Menschen II«, Fig. 2) verläuft nämlich je ein Strang, der sogen. Grenzstrang oder Stamm des S., der aus einer Kette von Ganglien besteht, von Wirbel zu Wirbel durch einen seinen Nerv mit dem benachbarten Rückenmarksnerv verbunden ist und mit dem Steißbeinknoten endet. Vom Grenzstrang gehen dann die peripherischen Nerven des S. aus und vereinigen sich in der Nähe der größern Eingeweide zu Geflechten, in die, wie überhaupt in ihren Verlauf, zahlreiche kleinere Ganglien eingelagert sind. Ein besonders großes Geflecht dieser Art ist der Plexus solaris, das Sonnengeflecht, das unmittelbar unter dem Zwerchfell liegt. Die Herznerven des S. entspringen bei den höhern Wirbeltieren vom Hals. Auch im Kopfe liegen sympathische Ganglien und Geflechte, soz. B. in den Speichel- und Tränendrüsen. Die Endigungen der sympathischen Nervenfasern treten in den von ihnen versorgten Organen (Herz, Darm, Harn-, Geschlechtsorgane etc.) gewöhnlich an die glatten Muskelfasern heran und veranlassen deren vom Willen unabhängige Zusammenziehungen. Da sie auch als sogen. Gefäßnerven (s. d.) die Muskulatur in den Wandungen der Blutgefäße innervieren, so sind sie von großem Einfluß auf den Blutstrom, also auf die Ernährung der Organe. Auf Veränderung der sympathischen Hals- und Brustnerven werden z. B. die Basedowsche Krankheit, die halbseitige Gesichtsatrophie und die fortschreitende Muskelatrophie zurückgeführt. Das sympathische Nervensystem besitzt zwar eine gewisse Selbständigkeit, doch vermischen sich seine autonomen Leistungen in mannigfaltiger Weise mit denen des animalen (zerebrospinalen) Nervensystems. Seinen bedeutendsten Einfluß übt der S. in der vegetativen Sphäre aus, in erster Linie auf den Kreislaufapparat, da er dem Herzen regulatorische Nerven liefert und den Blutgefäßen den Zutritt ihrer Bewegungsnerven (vasomotorischen Nerven) vermittelt. Nach der allerdings gegenwärtig etwas zurückgedrängten Ansicht mancher Forscher beruht sogar die selbständige Tätigkeit des Herzens auf der Automatie der in seiner Wand liegenden sympathischen Nervenzellen. Auch andern der Willkür entzogenen muskulösen oder mit Muskeln ausgestatteten Organen schreibt man solche sympathische Bewegungszentren zu, so dem Darmrohr, der Blase, der Gebärmutter. Sehr deutlich tritt die Bedeutung des sympathischen Nervensystems nach dieser Richtung hin dann hervor, wenn das zerebrospinale Nervensystem ganz oder größtenteils ausgeschaltet ist. Bei einem Frosche, dem man das ganze Rückenmark genommen hat, können sich die vegetativen Funktionen lange Zeit ungestört vollziehen. Hunde, denen nur noch ein ganz kleiner Teil des Rückenmarks verblieben war, ließen sich jahrelang am Leben und bei gutem Befinden erhalten; insbes. zeigte sich die Darm- und Blasentätigkeit ungestört, die Blutgefäße der Haut hatten ihren normalen Tonus und reagierten wie sonst auf Wärme und Kälte. Hiernach ist man geneigt, den Ganglien des sympathischen Nervensystems eine wichtige zentrale Rolle bei jenen Verrichtungen zuzuweisen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 239.
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