Tiflis [2]

[549] Tiflis (georg. Tbilisi, »Stadt der warmen Quellen«), Hauptstadt des russ. Generalgouvernements Kaukasien, des Gouvernements und des Kreises T., unter 41°42' nördl. Br. und 42°29' östl. L., 453 m ü. M., in engem, nach N. offenem Kesseltal, an beiden Ufern der von fünf Brücken überspannten Kura und an der Bahn Poti- und Batum-Baku, hat ein gemäßigtes Klima (Jahrestemperatur 12,6, Januar 0,5, Juni 24,6°), aber mit schroffem Wechsel und kalten Nordwinden und (1900) 159,590 Einw. (etwa 55,000 Armenier, 20,000 Georgier, 20,000 Russen, über 2000 Deutsche, im übrigen Tataren. Perser, Polen, Juden, Griechen, Franzosen etc.). Die terrassenförmig an den Berghängen aufsteigende Stadt bietet eine interessante Mischung asiatischen und europäischen Wesens. Sie zerfällt in vier Teile. Am rechten Flußufer, am Südostende der Stadt, liegen die Altstadt und Seid Abbad mit ganz asiatischem Charakter, nördlich davon die armenisch-grusinischen und europäischen Stadtteile, z. B. Sololaki auf dem rechten Ufer und Kuki (aus einer schwäbischen Ansiedelung entstanden) auf dem linken Ufer. Daran schließen sich mehrere Vorstädte: z. B. Naphthlug, Wera etc. Von öffentlichen Plätzen sind der Alexanderpark, der Eriwansche Platz mit Anlagen, der Park Muschtajd und am Fuße des mit Mauern und Türmen der alten Festungswerke gekrönten Sololakibergs der Botanische Garten in wildromantischer Schlucht zu nennen. T. hat einen Palast des Generalgouverneurs, Stadthaus, Ruhmeshalle, 26 armenisch-gregorianische Kirchen, 25 griechisch-katholische, eine evangelische und 2 katholische, je ein griechisch-katholisches und armenisches Kloster, je 2 Synagogen und Moscheen. Bildungsanstalten sind 3 Gymnasien, Adels-, Realschule, 4 höhere Töchterschulen, eine ebensolche armenische, Institut für adlige Fräulein, Kadettenkorps, Junker-, Geometer-, Gartenbau-, technische Eisenbahnschule, ein Lehrer- und ein geistliches Seminar, eine Hebammen-, 2 Feldscherschulen, Konservatorium für Musik, Kaukasisches Museum, physikalisches Observatorium, Seidenbauversuchsstation, je eine geographische, technologische, landwirtschaftliche, juristische, medizinische, pharmazeutische Gesellschaft, Opernhaus, 2 russische und je ein armenisches und georgisches Theater. Es erscheinen 3 russische Zeitungen und je 2 armenische (tatarische und georgische nebst mehreren armenischen) Zeitschriften. Die Stadt ist Sitz des Generalgouverneurs von Zis- und Transkaukasien, des Gouverneurs des Gouv. T., des Kurators des kaukasischen Lehrbezirks, des Erzbischofs der grusinischen Eparchie, des armenischen Bischofs für Georgien und Imeretien und eines deutschen Berufskonsuls. Von Industrien sind Fabriken für Leder, Tabak, Baumwollengarn, Brauereien und Brennereien nennenswert. Der Handel, unterstützt durch sechs Banken, vertreibt namentlich Galanterie- und Kolonialwaren, Manufakturwaren, Tee etc., insgesamt jährlich für über 40 Mill. Rubel, doch war derselbe früher bedeutender. Dem innern Verkehr dienen Pferdebahnen und Telephonanlagen. Die Stadt hat Wasserleitung, Feuerwehr und Beleuchtung. Der Sommer ist sehr heiß. Am Fuße der Festung befinden sich in einem schmutzigen Stadtteil heiße Schwefelquellen (bis 46°). – Die Stadt, 455 n. Chr. gegründet und lange Residenz der Könige von Georgien, wurde durch die vorderasiatischen Völkerbewegungen öfter verheert. Anfang des 17. Jahrh. fiel sie unter türkische Herrschaft, ward aber von dem[549] georgischen König Rustum (1636–58) wiedererobert und befestigt. Anfang des 18. Jahrh. bemächtigten sich die Türken abermals der Stadt; doch Schah Nadir setzte 1735 den georgischen König Theimuras wieder ein. Seinen Sohn Irakli (Heraklius), der T. zur Blüte brachte, vertrieb 1795 der Perser Aga Mohammed Chan, der 30,000 Menschen in die Sklaverei wegschleppte. Im November 1799 nahm der russische Generalmajor Lasarus von der Stadt Besitz. 1801 wurde Grusien zu einem russischen Gouvernement und T. zur Gouvernementshauptstadt erhoben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 549-550.
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