Toul

[643] Toul (spr. tūl), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Meurthe-et-Moselle, 204 m ü. M., am linken Ufer der Mosel, am Marne-Rhein- und am Ostkanal, nur 35 km von der deutschen Grenze, Knotenpunkt der Ostbahn und Festung ersten Ranges mit einem ausgedehnten Gürtel von Außenforts, hat eine gotische ehemalige Kathedrale St.-Etienne (13.–15. Jahrh.) mit schönem Portal, zwei 75 m hohen Türmen, Glasmalereien und Kreuzgang, die Kirche St.-Gengoult (13.–16. Jahrh.), gleichfalls mit einem Kreuzgang, eine Synagoge, ein ansehnliches Stadthaus (früher Bischofspalast), Denkmäler zur Erinnerung an die Belagerung und die Erhebung Frankreichs, Collège, Bibliothek (12,000 Bände), Handelskammer, Ackerbaukammer, Fabriken für Tonwaren, Öfen, Kerzen, Likör, Stickereien, Holzdrechslerei, Hopfenbau, Weinhandel und (1906) 13,345 (als Gemeinde 13,663) Einw. T. ist Geburtsort des Marschalls Gouvion Saint-Cyr. – T., das Tullum Leucorum der Römer, Hauptstadt des gallischen Stammes der Leuci, gehörte unter den Merowingern und Karolingern zum Königreich Austrasien. 612 wurde Theuderich von Austrasien durch Theoderich von Burgund bei T. besiegt. 870 kam T. an das Deutsche Reich, wurde dann von eignen Grafen regiert und fiel nach deren Erlöschen 1136 an Lothringen, blieb aber deutsche Reichsstadt, über welche die Herzoge von Lothringen nur das Schirmrecht ausübten. 1552 ward die Stadt vom König Heinrich II. von Frankreich infolge seines Bundes mit dem Kurfürsten Moritz von Sachsen gegen Karl V. nebst Metz und Verdun besetzt und mit diesen Bistümern im Westfälischen Frieden 1648 endgültig an Frankreich abgetreten. Das um 410 gegründete Bistum T. bestand bis 1807. Im Kriege von 1870/71 ward T. 16. Aug. vom 4. deutschen Korps vergeblich berannt, vom 12. Sept. an vom 13. Korps unter dem Großherzog von Mecklenburg förmlich belagert, da es die einzige Eisenbahn vom Rhein nach Paris sperrte, und am 23. nach achtstündigem Bombardement mit schwerem Geschütz zur Kapitulation gezwungen. Vgl. Thiéry, Histoire de la ville de T. (Toul 1841, 2 Bde.); Daulnoy, Histoire de la ville et cité de T. (das. 1881, Bd. 1); Pimodan, La réunion de T. à la France (Par. 1885); v. Werder, Die Unternehmungen der deutschen Armeen gegen T. im J. 1870 (Berl. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 643.
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