Vilmar

[172] Vilmar, August Friedrich Christian, Theolog und Literarhistoriker, geb. 21. Nov. 1800 zu Solz in Kurhessen, gest. 30. Juli 1868 in Marburg, studierte in Marburg Theologie, trat 1821 in den Kirchen- und Schuldienst, 1831 in die kurhessische Ständeversammlung und wurde, nachdem er sich vom Liberalismus abgewandt, kurz darauf Mitglied der obern Kirchen- und Schulkommission und 1833 Direktor des Gymnasiums in Marburg. Im März 1850 wurde er mit dem Prädikat Konsistorialrat zum vortragenden Rat in das Ministerium des Innern berufen. Mit dem Rücktritte des Ministeriums Hassenpflug fiel auch er 1855 und wurde Professor der Theologie in Marburg. In seinen amtlichen Stellungen wie auch als Herausgeber der Wochenschrift »Der hessische Volksfreund« (1848–51) und der »Pastoral-theologischen Blätter« (1861–66) hat V. auf die Entwickelung einer streng hierarchischen Richtung hinzuwirken gesucht, einer Richtung, die auch in seinen »Schulreden über Fragen der[172] Zeit« (Marb. 1846; 3. Aufl., Gütersl. 1886) und in der »Theologie der Tatsachen wider die Theologie der Rhetorik« (Marb. 1856; 4. Aufl., Gütersl. 1876) hervortritt. Erfreulicher war sein Wirken auf dem Gebiete der deutschen Literaturgeschichte, namentlich zeichnen sich die Vorlesungen über die »Geschichte der deutschen Nationalliteratur« (Marb. 1845; 26. Aufl., fortgesetzt von A. Stern, 1905) durch Lebendigkeit der Darstellung und durch seines Verständnis für die altdeutsche Dichtung aus. Kleinere Arbeiten sind: »Anfangsgründe der deutschen Grammatik« (8. Aufl., neu bearbeitet von Kauffmann, Marb. 1888); »Deutsche Altertümer im Heliand« (das. 1845, 2. Aufl. 1862); »Zur Literatur Johann Fischarts« (das. 1846, 2. Aufl. 1865); das »Deutsche Namenbüchlein« (das. 1855, 6. Aufl. 1898); »Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes« (das. 1867, 3. Aufl. 1886); »Idiotikon von Kurhessen« (das. 1868; Nachträge von Pfister, 1886 u. 1894) und »Lebensbilder deutscher Dichter und Germanisten« (Frankf. 1869; 2. Aufl. von Koch, 1886). Die Schrift »Zur neuesten Kulturgeschichte Deutschlands« (Frankf. 1858–67, 3 Tle.) stellt seine Wirksamkeit in den Revolutions- und Restaurationsjahren dar. Aus seinem Nachlaß wurden herausgegeben: »Die deutsche Verskunst« (hrsg. von Grein, Marb. 1870; neu bearbeitet von Kauffmann u. d. T.: »Deutsche Metrik«, 2. Aufl. 1907); »Theologische Moral« (Gütersl. 1871, 3 Bde.); »Lehrbuch der Pastoraltheologie« (das. 1872); »Kirche und Welt oder die Aufgaben des geistlichen Amtes« (das. 1872–73, 2 Bde.); »Dogmatik« (das. 1874–75, 2 Bde.; im Auszug 1895) und »Collegium biblicum. Praktische Erklärung der Heiligen Schrift« (das. 1879–88, 6 Bde.; 1. Bd. in 2. Aufl. 1908). Seine Biographie schrieb Leimbach (Hannov. 1875). Vgl. auch Dietz, V. als Hymnolog (Marb. 1899); »Dr. A. F. C. V., Züge aus seinem Leben und Wirken« (Kassel 1900); Grebe, A. F. C. V. als Oberhirte der Diözese Kassel (Marb. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 172-173.
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