Volksküchen

[234] Volksküchen, Wohlfahrtsanstalten, in denen unbemittelte, namentlich alleinstehende Personen zu billigen Preisen, seltener unentgeltlich, nahrhafte Kost erhalten. Die V. traten besonders 1813 und in dem Hungerjahr 1816/17 ins Leben, obgleich ihre Idee schon gegen das Ende des 18. Jahrh. von Rumford ausgesprochen worden war, und fanden in den letzten 40 Jahren besonders durch die Tätigkeit der Frauenvereine allgemeinen Eingang. Die erste größere, auf dem Prinzip der Selbsterhaltung beruhende Anstalt wurde 1849 in Leipzig gegründet (die zweite daselbst 1871); ihr folgten Dresden 1851, Berlin 1866 (das daselbst in den 50er Jahren gegründete Institut von Ravené bestand nur kurze Zeit), Prag, Brüssel, Breslau 1868, Graz und Hamburg 1869, Straßburg 1870, Wien 1873 etc. Einem großen Teil der deutschen (auch einigen ausländischen) V. haben die Einrichtungen der Leipziger Anstalt als Vorbild gedient. In allen V. wird pro Kopf durchschnittlich 1 Lit. Gemüse in Bouillon gekocht und etwa 1/12 kg Fleisch gegeben, die Preise dafür schwanken zwischen 15 und 30 Pf. In manchen Gegenden muß man sich durch Mehrlieferung (Abgabe von weitern halben Portionen) den betreffenden Gewohnheiten anfügen. Die Berliner V. (zurzeit 8 mit jährlich 1,168,770 Portionen), von Lina Morgenstern gestiftet, vermochten einen Unterstützungsfonds anzusammeln. Ihre Erfahrungen lehrten, daß sogen. halbe Portionen für Frauen und Kinder zur Ernährung vollkommen ausreichen. Vgl. Lina Morgenstern, Die V. (Berl. 1883) und Hilfsbuch zur Gründung, Leitung und Kontrolle von V. (3. Aufl., das. 1900); die Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Vereins Berliner V. (das. 1891); Kühn, Die Wiener V. (2. Aufl., Wien 1894); Blum, Volks- und Krankenküchen (Leipz. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 234.
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