Aristotelĭker

[714] Aristotelĭker (Aristotelische Schule), die Schüler des Aristoteles u. die, welche in seinem Geiste philosophirten. Sie werden auch wegen ihres Lehrens u. Hörens beim Umherwandeln od. von einem Laubgange od. einer Halle (Peripatos) im Lyceum zu Athen die Peripatetiker (Peripatetische Schule) genannt. An der Spitze dieser A. steht Theophrastos von Eresos. Lange erhielt sich in Griechenland das Aristotelische System neben dem Platonischen in dem höchsten Ansehn; doch erlangte dies letztere später in den Schulen das Übergewicht, ward jedoch auch theilweise mit dem Aristotelischen verschmolzen (Synkretistische A.), u. reine A. wie Andronikos zu Rhodos u. Alexander von Aphrodisias waren selten. Unter den Römern fand die Aristotelische Lehre wenig Anklang, mit dem Verfalle der Wissenschaften kam sie in Vergessenheit. Durch Anwendung der Aristotelischen Dialektik auf Kirchenlehren gewann sie indessen im Mittelalter, wiewohl sehr verunstaltet, Eingang in die hier sich ausbildende Scholastische Philosophie. Noch früher hatten die Araber sich mit ihr bekannt gemacht (s. u. Arabische Literatur). Diese schon sehr abweichende Arabisch-aristotelische Philosophie, welche zunächst gelehrte Juden durch Übersetzungen arabischer Schriften in Europa verbreiteten, ward eine vorzügliche Quelle der Scholastisch-aristotelischen Philosophie, indem, nebst lateinischen Übersetzungen aristotelische Werke, bes. das Organon, auch gleiche Übersetzungen arabischer Commentatoren der A., bes. des Avicenna u. Averroes, zu Grundlagen des philosophischen Studiums u. Unterrichts benutzt[714] wurden. Diese so umgestaltete Aristotelische Philosophie blieb, obgleich mehrmals von der Geistlichkeit angegriffen u. selbst mit dem Bannfluch belegt, herrschend bis zur Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften, wo sie aber, als man mit den Schriften des Aristoteles in der Ursprache mehr bekannt ward, auch als eigentliche u. wiederhergestellte Aristotelische od. Peripatetische Philosophie ein noch höheres Ansehn erhielt. Doch blieben auch unter den Neu-Aristotelikern die Ansichten von der Anwendbarkeit derselben sehr getheilt, u. es bildeten sich im 15. u. 16. Jahrh. unter ihnen 2 Parteien, die der Averroisten, welche dem Araber Averroes in der Auslegung des Aristoteles folgten, u. die der Alexandristen (Alexandreer), die dem Alexander von Aphrodisias beistimmten. Unter jenen zeichneten sich Alexander Achillini u. Andreas Cäsalpinus aus. Unter den Reformatoren begünstigte Melanchthon vorzüglich die Aristotelische Philosophie; doch fehlte es ihr auch nicht an mächtigen Gegnern, Baco von Verulam bekämpfte, wie die Scholastische Philosophie, auch sie mit Nachdruck. Von da an sank ihr Ansehn, wenn sie auch im Ganzen, bis zur Zeit der Leibnitz-Wolfschen Schule, die gewöhnlichste Grundlage des philosophischen Unterrichts blieb, immer mehr, bis die Kritische Philosophie der neusten Zeit, indem sie ihr von der einen Seite zwar ihre Hauptstütze völlig entzog, doch dazu führte, den großen Einfluß, welchen die Aristotelische Philosophie auf Entwicklung des menschlichen Verstandes gehabt hatte, nach seinem ganzen Umfange zu würdigen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 714-715.
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