Keim

[418] Keim (Germen), 1) Pflanzentheil, welcher unter günstigen Verhältnissen sich zu einer neuen Pflanze derselben Art gestaltet, ehe noch diese Gestaltung anhebt, od. in der frühesten Periode derselben, wo die Form, unter welcher die neue Pflanze hervortritt, noch nicht deutlich unterscheidbar ist. K-e sind nicht blos in Samen, sondern auch in Knospen, Knollen u. Zwiebeln befaßt. Bei den K-en in den Samen unterscheidet man: a) das Würzelchen (Radicula), b) das Stängelchen (Cauliculus), c) das Knöspchen od. Federchen (Gemmula s. Plumula). Dazu treten aber bei den phanerogamischen Gewächsen noch die Samenlappen (Cotyledones) hinzu, von denen einer, zwei od. mehr vorkommen (vgl. Samen). Die Keimfähigkeit dauert nur gewisse Zeit u. nur unter der Voraussetzung, daß Samen vor zerstörenden Einflüssen verwahrt werden. Je stärker die Kotyledonen sind, je mehr schleimig-ölige Säfte sie enthalten, desto länger behalten sie in der Regel Keimfähigkeit. Kurz ist die Dauer der Keimfähigkeit in allen Samen, welche den Embryo unentwickelt in der Mitte des Eiweißkörpers haben. Von äußeren Einflüssen, welche die Keimfähigkeit zerstören, kommt bes. die atmosphärische Luft, starkes Sonnenlicht u. trockene Hitze in Betracht. Korn hat die längste Keimfähigkeit. Kälte schadet der Keimfähigkeit nicht, wenn sie nicht unter 20° R. ist. Die Entwickelung der Keimfähigkeit zum wirklichen Keimen od. zur Keimung kann nur unter Wärme geschehen; der Wärmegrad ist aber verschieden. Es entwickelt sich hier Keimflüssigkeit, süßlich schleimiges Wasser, welches sich zuerst im befruchteten Samen zeigt, indem sich dieser selbst nur noch als ein Bläschen (Keimsack) darstellt. Auch keimen Samen nur in Luft, welche, wie die atmosphärische, einen verhältnißmäßigen Antheil von Sauerstoff hat; in reinem Sauerstoffgas keimen sie zwar schnell, aber die Pflänzchen überwachsen sich u. verderben. Auch Feuchtigkeit ist zum K. nöthig, doch nicht durch Zersetzung des Wassers, sondern blos durch Einsaugung, wodurch die Theile anschwellen u. so zur Entwickelung geschickt werden, u. durch Zuführung von Kohlensäure, obgleich dies keine nothwendige Bedingung ist, da auch. Pflanzen in destillirtem Wasser keimen. Während des Keimens wird die Mischung des Samens verändert. Das Endosperm u. die Kotyledonen, voll Schleim u. Stärkemehl, schwellen an, der Schleim kommt in Gährung, entwickelt Kohlensäure u. verbindet sich mit Wasser zu Zuckerstoff. Samen, welche gekeimt haben u. getrocknet werden, wiegen weniger als vorher, weil sie Kohlenstoff u. Sauerstoff verloren haben. Ganz ausgetrocknete Samen können nicht mehr keimen. Die chemischen Vorgänge bei der Keimung bestehen zunächst in der Aufnahme von Sauerstoff, mit welcher zunächst eine Umwandlung der Proteïnkörper verbunden ist. Das Stärkemehl verwandelt sich theilweis in Dextrin u. Zucker, das Fett verschwindet, doch kennt man noch nicht das Ferment, welches dasselbe umwandelt: vgl. Diastase; 2) (Physiol.), s.u. Zeugung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 418.
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