Säfte

[748] Säfte (Humores), tropfbar flüssige Bestandtheile des thierischen Körpers, vom Dunstförmigen bis zum Dickflüssigen wechselnd u. hinsichtlich ihrer physischen u. chemischen Eigenschaften, ihrer Entstehung u. physiologischen Bedeutung sehr verschieden, 3/44/5 des Gewichtes des thierischen Körpers ausmachend. Die S. finden sich entweder in Höhlen zwischen den festen Theilen eingeschlossen od. auf der inneren u. äußeren Oberfläche des Körpers, od. sie durchdringen die Masse der festen Organe u. bedingen deren Weichheit, Biegsamkeit, Farbe, Durchsichtigkeit, Volumen u. specifisches Gewicht. Der größte Theil der S. ist Wasser, in welchem organische wie unorganische Stoffe gelöst od. in Form verschieden gestalteter Körperchen suspendirt sind. Man theilt die S. ein in a) Thierisches Wasser (durchweichende Flüssigkeit, parenchymatöse Urbildungsflüssigkeit, Blastem, Cytoblastem), ein dünnes, ferumartiges, in chemischer Beziehung dem Keimstoffe sehr ähnliches, höchst indifferentes, größtentheils aus Wasser, Fett u. Eiweis bestehendes Fluidum, welches theils alle Zwischenräume zwischen den verschiedenen Elementartheilen ausfüllt u. diese so mit einer wässerigen Atmosphäre umgibt, theils die Substanz aller festen Theile selbst durchdringt u. tränkt u. diese so in einem Zustande der Aufweichung erhält. Das Thierische Wasser ist die erste Bedingung einer fortwährenden Umbildung der Stoffe u. also des Lebens. Aus dieser Quelle schöpfen alle Theile die zu ihrer Bildung u. Ernährung nothwendigen [748] Stoffe, u. in ihr lösen sich fast alle (mit Ausnahme einiger, wie der Haare, Nägel, Epidermis u. Epithelium) zur Lebensthätigkeit untauglich gewordenen Bestandtheile der Gewebe wieder auf. Daher wird das Thierische Wasser aus dem Blute fortwährend wieder erzeugt u. mittelst des Kreislaufes in Folge von Exosmose u. Endosmose allen Geweben zugeführt, das frühere dagegen durch Lymphgefäße u. Venen weggeführt u. ist also in stetem Wechsel begriffen. b) Bildungs- u. Nahrungssäfte, d.h. solche, welche innerhalb der Röhren des Gefäßsystems in beständigem Laufe durch alle Theile des Körpers getrieben werden u. hier zur Erneuerung des Thierischen Wassers, also mittelbar zur Bildung sämmtlicher Theile, beitragen u. das Material zur Ernährung sowie für die Se- u. Excretionen führen. Die Nahrungssäfte sind entweder roth (Blut) u. bestehen aus dem Überschusse von Thierischem Wasser u. aus wieder aufgelösten Gewebtheilen; od. weißlich (Lymphe u. Chylus) u. werden aus dem aus den Nahrungsmitteln gezogenen Nahrungsstoff zusammengesetzt. c) Secretionsflüssigkeiten, d.h. solche, welche aus dem Blute entweder zu besonderen Lebensverrichtungen ausgeschieden u. sodann zum großen Theile wieder in die Blutmasse aufgenommen werden (Secreta); od. welche das Blut als unbrauchbar absetzt u. größtentheils ohne weitere Verwendung aus dem Körper entfernt werden (Excreta). Die neuere Chemie nimmt an, daß dieselben schon gebildet im Blute vorkommen. Die Absetzung dieser Flüssigkeiten geschieht aus dem Blute mittelst Ebibillon od. Exosmose durch die Haargefäße entweder auf Häuten od. in eigenthümlich gebildeten Organen (Drüsen). Die Secretionsflüssigkeiten sind entweder aa) ausgehauchte Flüssigkeiten, welche auf Hautflächen ohne Vermittelung besonderer Organe aus dem Blute abgesetzt werden u. zwar theils in geschlossenen Höhlen wie Serum im Zellgewebe u. den größeren serösen Blasen, Synovia in den Synovialblasen u. Schleimbeuteln, die Flüssigkeiten im Auge, Ohre u. Eierstocke u. die Amniosflüssigkeit; theils auf der äußeren u. inneren freien Oberfläche des Körpers, wie Haut- u. Lungenausdünstung, ein Theil des Schleimes, des Magen- u. Darmsaftes; od. bb) Drüsensäfte, in den Secretionskanälen der Drüsen abgesetzt u. durch Ausführungsgänge sogleich an die Oberfläche des Körpers gebracht od. vorher in einem größeren Behälter gesammelt. Nach ihrer physiologischen Bedeutung kann man sie unterscheiden in Assimilationssäfte, wie Speichel, Galle, Magen- u. Darmsaft, Pankreassaft; in Zeugungssäfte, wie Samen, Saft der Prostata u. Cowperschen Drüsen, Milch; in S. der Sinnesorgane, wie Humor aqueus, H. Morgagnii, H. vitreus, im Auge, Endo- u. Perilympha im Ohre, Ohrenschmalz, Thränen u. Augenbutter; u. in Auswurfsstoffe, wie Schweiß, Harn, Hautschmiere, Schleim u. zum Theil die Galle.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 748-749.
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