Photĭos

[97] Photĭos, geb. in Constantinopel, aus einer vornehmen, mit der kaiserlichen verwandten Familie stammend, Polyhistor des 9. Jahrh. (seine eigene Bibliothek soll aus 12,000 Bänden bestanden haben); bekleidete frühzeitig die höchsten weltlichen Würden, war Präfect der Leibwache, unter Michael III. Staatssecretär, ging mehrmals vom Hof u. Senat als Gesandter zu dem Khalifen von Bagdad u. wurde 857 an der Stelle des Ignatius Patriarch von Constantinopel, ohne vorher Geistlicher gewesen zu sein (er ging alle geistlichen Grade in 6 Tagen durch). Diese Stelle zog ihm aber auch viele Leiden zu, indem er mit Nicolaus I., Bischof von Rom, über den Supremat in Streit gerieth; Nicolaus setzte ihn 862 ab, worauf P. eine Kirchenversammlung nach Constantinopel berief, wo Nicolaus excommunicirt u. die Römische Kirche der Ketzerei beschuldigt wurde. Dadurch trennte sich die Griechische Kirche von der Römischen. Er vermittelte später dem Christenthum den Zugang in den Nordosten Europas, indem er 866 Apostel nach Kiew sendete. Vom Kaiser Basilius, dessen Gesellschafter u. Prinzenerzieher er war, 867 abgesetzt, weil er ihn wegen Michaels, seines Vorgängers, Ermordung excommunicirt hatte, ging er in ein Kloster, u. Ignatius wurde wieder Patriarch. Da dieser aber wegen Bulgarien mit dem römischen Bischof in Streit gerieth, kehrte P. nach Constantinopel zurück u. wurde 877 vom Kaiser Basilius wieder eingesetzt u. auch nun vom römischen Bischof anerkannt, aber alsbald, da P. nicht nachgiebig wegen Bulgarien war, wieder verdammt. Leo VI. beschuldigte ihn der Theilnahme an einer Verschwörung gegen sich, setzte ihn 886 abermals ab u. verwies ihn in ein armenisches Kloster, in welchem er um 890 starb. Er schr. (vor der Gelangung zur Patriarchenwürde): Βιβλιοϑήκη od. Μυριόβιβλος, worin 280 zum großen Theil jetzt verlorne Schriftsteller (Geschichtschreiber, Redner, Philosophen, Theologen) aufgestellt, ihre Erzählung od. ihr Unterricht kurz u. im Auszug angegeben u. ihre Schreibart u. ihr Charakter gewürdigt wird, Ausg. von Dav. Höschel, Augsb. 1601, Fol.; Andr. Schott, Genf 1613, Fol., Rouen 1653, Fol.; Immanuel Bekker, Berl. 1824 f., 2 Bde.; Λεξικόν(Λέξεων συναγωγὴ), herausgeg. von G. Hermann, Lpz. 1808; Porson, Lond. 1823, 2 Bde., Lpz. 1823, 2 Bde.; Schleusner schrieb Anmerkungen dazu, Lpz. 1810 u. (Curae nov. in P.) 1812; Ἐπιστολαί (248 an der Zahl), herausgeg. von Montacutius, Lond. 1651, Fol.; Νομοκάνων (Handbuch des Kirchenrechts, s. u. Nomokanon c); Περὶ τῆς Μανιχαίων ἀναβλαστήσεως (gegen die Manichäer), herausgeg. von I. Chr. Wolf in Anecd. graec. sacr. et prof., u. in Montfaucon Bibliotheca christiana; Περὶ πνεύματος od. Μυσταγωγία, herausgeg. von Hergenröther, Regensb. 1857; Περὶ παραμυϑίας, herausgeg. von Rittershusius, Nürnb. 1601; Abhandlungen u. Bruchstücke im 2. u. 3. Bd. von A. Mai's Scriptorum vet. nova collectio; eine Sammlung seiner Reden unter dem Titel: Ἀμφιλόχια, gab Soph. Oikonomos, Athen 1859, heraus. Vgl. Histoire de P., Par. 1772; Wolf, P. ephemeridum erudit. inventor, Wittenb. 1689; Jager, Histoire de P., Löwen 1845.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 97.
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