Recognosciren

[899] Recognosciren (v. lat.), 1) anerkennen, s. u. Recognition 2); 2) ausspähen; 3) bes. eine Gegend, od. Aufstellung, die Bewegung, Stärke u. Absicht des Feindes erkunden. A) Dem R. einer Gegend (R. des Terrains), welche der Feind nicht besetzt hat, muß das Studium einer guten Specialkarte vorausgehen; dann tritt der Recognoscirende seinen Weg zu Pferde u. von einem der Gegend kundigen Boten u. einigen Cavalleristen begleitet, an. Von den begleitenden Soldaten läßt er einen Mann die gebahnte Straße verfolgen u. die Beschaffenheit derselben erkunden, der Recognoscirende selbst geht mit dem Boten längs dem Kamm des Terrains; Berge, Thäler, Gewässer, Wälder, Gehölze, Hohl- u. andere Wege, auf welche man stößt, trägt er nebst der wahrgenommenen Gradation des Terrains auf einen Auszug aus der Specialkarte, auf welchem die wichtigsten Punkte bemerkt sind, ein. Zugleich erkundet er die Beschaffenheit der innerhalb des Bereiches der Recognoscirung gelegenen Wege bei gutem u. schlechtem Wetter, auch die Breite der Geleise, die Zahl u. Beschaffenheit der Brücken, Fuhrten u. Dämme, welche durch Moräste führen, die Beschaffenheit der Dörfer, Kirchen, Kirchhöfe, Schlösser u. sonstige zur Vertheidigung geeignete Häuser, die Beschaffenheit der Flüsse od. starken Bäche, ob erstere schiffbar sind, ob u. welches Ufer überhöht, ob Gräben irgend einer Art das Terrain durchschneiden, etc. Ferner erkundigt man sich nach den Abhängen, die man in der Ferne erblickt, ob sie steil od. flach, für Fußgänger, Reiter u. Wagen zu passiren, ob sie kahl od. holzig sind, ob Fuß- od. Fahrwege hinzuführen, ob der Boden sandig, steinig od. felsig etc. ist, ob der Berg mit Schluchten durchschnitten[899] ist, ob in Kanonenschußweite andere dominirende Höhen liegen. Aus diesem Material entwirft man einen, die Resultate der Recognoscirung enthaltenden Recognoscirungsbericht an denjenigen, welcher die Recognoscirung befahl. Meist führt ein Generalstabsoffizier eine Recognoscirung des Terrains. B) Recognoscirung des Feindes. Auch hier kann dieselbe zum Zweck haben: a) das Terrain, wo der Feind steht, kennen zu lernen, wo der Recognoscirende wie bei A) verfährt, sich so nahe als möglich an die feindlichen Posten hinanschleicht u. das Terrain aus eigner Anschauung u. aus, an den Boten gerichteten Fragen kennen zu lernen sucht; b) sich von der Stärke des Feindes zu unterrichten; hier ist bes. zu beachten, daß der Feind meist seine Truppen hinter Terraingegenständen, wie Ravins, kleinen Gründen, Hölzchen versteckt; c) die Stellung des Gegners kennen zu lernen; hier treten dieselben Schwierigkeiten, wie bei b) ein, u. ist dasselbe zu berücksichtigen, wie bei a). Bei letzteren Recognoscirungen, wenn sie heimlich geschehen sollen, begibt sich der Commandirende od. der dazu beauftragte höhere Offizier in Person mit weniger Begleitung nach einem Punkt, welcher Gelegenheit zu einem Versteck gibt, also mit Buschwerk, Gehölz u. hohen Kornfeldern bewachsen ist, u. welcher so nahe als möglich an den feindlichen Posten liegt u. eine Aussicht auf die Stellung des Gegners gewährt, u. beobachtet dessen Stellung u. Bewegungen. Sind der zu recognoscirenden Punkte zu viele u. fehlt die Zeit, sie alle persönlich zu besuchen, so sendet man nach mehren Richtungen hin recognoscirende Offiziere mit kleinen Cavallerietrupps aus, welche wie beim Blänkeln u. wie bei Patrouillen (s. b.) verfahren. Zu den genannten R. verwendet man auch Schleichpatrouillen od. Recognoseirpatronitten. Letztere sind größere Streifcommandos in der Stärke einer Escadron od. Compagnie, welche sich auf Meilen von den Truppen entfernen u. vom Feinde Nachrichten zu erhalten suchen. Um den Feind zu nöthigen, seine Streitkräfte zu zeigen u. die Stellungen einzunehmen, welche er beim wirklichen Gefecht zu ergreifen gedenkt, stellt man öfters C) gewaltsame Recognoscirungen an. Diese Recognoscirungen benutzen das Gefecht als Mittel zur Erreichung ihres Zweckes u. gebrauchen alle Waffen in der Stärke, wie der Feind sie nöthig macht. Ist die nöthige Einsicht gewonnen, so wird das Gefecht abgebrochen, da man Entscheidung nicht sucht. Der Kampf besteht meist in Artillerie- u. Schützengefecht. Jedes Avantgardengefecht ist für die Angreifer eine Recognoscirung, nur bricht man in diesem Fall das Gefecht nicht ab, sondern benutzt das Ergebniß desselben. D) Das R. einer Festung geschieht auf ähnliche Weise, bes. sucht der mit Entwerfen der Belagerungsarbeiten beauftragte Offizier sich zu nähern, um die schwächste Seite der Festung aufzufinden u. hierauf den Angriffsplan zu gründen. Man verbindet auch nächtliches Anschleichen an die Werke u. Berichtigen der gemachten Bemerkungen den Tag über, Benutzungen der vorhandenen Pläne, die Aussagen von Spionen, Überläufern u. bei der Festung beschäftigt gewesenen Arbeitern hiermit.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 899-900.
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