Speiseröhre

[523] Speiseröhre (Oesophagus), der zwischen dem Schlundkopfe u. dem Magen liegende, häutige, röhrenartige Theil des Darmkanals. Die S. beginnt unter dem Schlundkopfe, hinter dem Ringknorpel u. geht von dem 4. od. 5. Halswirbel an, von den untern Hals- od. obern Brustwirbeln, durch die für sie bestimmte Schlundspalte des Zwerchfells in die Unterleibshöhle. Bei ihrem Anfange liegt sie gerade hinter der Luftröhre, vor der Mitte der Halswirbel; vor dem letzten Halswirbel lenkt sie sich mehr nach der linken Seite. Bis zu dem Zwerchfell ist sie fast von gleicher Weite, ihr Durchmesser beträgt ungefähr 1/2 Zoll; wie weit sie bei der stärksten Ausdehnung werden kann, läßt sich nicht bestimmen, da, wo sie durch die Spalte des Zwerchfells tritt, wird sie aber enger, nach dem Durchgange erweitert sie sich u. geht in den Magen über. Sie besteht aus drei Häuten, einer Muskelhaut, welche wiederum aus Längen- u. Kreisfasern zusammengesetzt ist, einer Schleimhaut u. einer innern Haut. Die Farbe der letztern ist blaßröthlich, selbst weißlich, sie ist mit kurzen sammtartigen Flecken besetzt, immer feucht u. mit Schleim überzogen. Am Magenmunde, wo ein sein gezackter Ring sich zeigt, ändert sich das Gewebe dieser Haut u. geht mehr in die Schleimhaut über. Die S. befördert die Nahrungsmittel, welche aus dem Schlundkopfe in sie gelangt sind, in den Magen; dies geschieht, indem sich die Längenfasern zuerst zusammenziehen, den Schlund verkürzen, worauf die Querfasern sich von oben nach abwärts stufenweise[523] zusammen ziehen u. die Nahrungsstoffe nach abwärts drücken. Die Speiseröhrenarterien (Arteriae oesophageae) nehmen ihren Ursprung unmittelbar aus der Aorta. Von den Speiseröhrengeflechten u. den Speiseröhrennerven, s. Gehirnnerven K) c). Die wichtigsten Krankheiten der S. sind: a) die Speiseröhrenbräune, s.u. Bräune (Med.); b) die Speiseröhrentzündung (Oesophagitis), eine seltene Krankheit, entsteht meist nach äußern Verletzungen u. fremden im Halse stecken gebliebenen Körpern, Verschlucken ätzender u. brennender Dinge, od. Verbreitung benachbarter Entzündungen auf die S., hauptsächlich bei Bräune, Croup, Schwämmchen; äußert sich durch Schmerz, welcher durch Schlingen sehr gesteigert wird, geht in Zertheilung od. in Eiterung, Verschwärung, od. bei längerer Dauer in Verhärtungen u. andere Entartungen über; erfordert allgemeine od. örtliche Blutentziehungen durch Blutegel, Schröpfköpfe u. andere antiphlogistische Mittel, für welche das erschwerte Schlingen mehr nur die äußere Anwendung gestattet; die chronische erheischt zunächst Calomel, Jod, Salmiak, Cicuta etc.; c) die Speiseröhrenerweiterung, betrifft entweder die ganze, od. den größten Theil der S., od. nur einzelne Stellen u. besteht entweder in Ausdehnung aller Häute, od. nur in der Erweiterung der durch eine Spalte der Muskelhaut sackförmig durchgedrängten Schleimhaut; ist meist Ursache erschwerten Schlingens u. meist unheilbar; d) die Speiseröhrenentartung (Vitia organica oesophagi), vorzüglich in Folge der chronischen Entzündung der S. od. von Dyskrasien entstehen mancherlei Verhärtungen, Verdickungen, Polypen u. andere Geschwüre in der S., welche den Grund zu meist unheilbaren Störungen des Schlingens (Dysphagia) legen; e) der Speiseröhrenkrampf (Dysphagia spastica), meist plötzlich eintretende Zusammenschwärung der S., so daß das Schlingen gänzlich od. nur für gewisse Dinge aufgehoben ist, mit dem Gefühl einer festsitzenden Kugel od. eines Pfropfes, in einzelnen Anfällen mit darauf folgenden Nachlässen eintretend, meist Begleiter allgemeiner Nervenkrankheiten, vorzüglich Hysterie, Hypochondrie etc., erfordert die Beseitigung der Hauptkrankheit, sonst krampfstillende u. ableitende Mittel; f) die Speiseröhrenlähmung (Dysphagia paralytica), verräth sich durch gehindertes od. unmögliches Schlingen ohne Schmerz, od. sichtbare Veränderung in der S., bisweilen auch mit einem eigenthümlichen Geräusch dabei; Folge von Gehirn- od. Rückgrathsleiden, vorzüglich Schlagfluß, od. örtliche Unthätigkeit der Nerven, in Fieber- u. anderen allgemeinen Krankheiten von Erschöpfung der Nervenkraft, hier meist Vorbote des nahen Todes; erheischt die Behandlung der Lähmung im Allgemeinen, Ernährung durch Einspritzen in den Magen mittelst Schlundsonden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 523-524.
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