Bern-Lötschberg-Simplon

[254] Bern-Lötschberg-Simplon (Schweiz), kurzweg als Lötschbergbahn, auch Berner Alpenbahn, bezeichnet.

Als in der Schweiz die Alpenbahnpläne im Osten, im Zentrum und im Westen auftraten, wurde im Kanton Bern der Bau einer Grimselbahn geplant (1852), jedoch durch Beschluß des Bernischen Großen Rates vom 24. Januar 1866 auf dieses zu gunsten einer Gotthardbahn verzichtet. Dabei wurde schon von alt Bundesrat Jakob Stämpfli darauf hingewiesen, daß, wenn später eine Simplonbahn gebaut werden würde, Bern dann, zumal durch die Gemmi, Anschluß an diese finden könnte.

Der Gedanke einer Berner Alpenbahn, wie er nunmehr Verwirklichung findet, war damit gelegt. Im Sommer 1889 veröffentlichte alt Regierungsrat Teuscher seine vieljährigen Studien, die zu dem Ergebnis gelangten, daß der Lötschberg, ein in früheren Jahrhunderten viel begangener Paß zwischen Bern und Wallis, an Stelle der Grimsel für die Zufahrtslinie zum Simplon den Vorzug verdiene, und am 23. Dez. 1891 erteilte die schweizerische Bundesversammlung für diese Linie eine Konzession, nachdem der Bundesrat in seinem Berichte die unleugbar großen Interessen anerkannt hatte, die sich an den Plan knüpfen. Nachdem sodann die Simplonbahn gesichert war, erhielt auch das Lötschbergbahnunternehmen durch einen im Februar 1897 erfolgten Beschluß des Berner Volkes einen neuen Impuls, indem der Kanton sich an der Linie Spiez Frutigen, die heute die erste Sektion der Berner Alpenbahn bildet, mit 60% der Anlagekosten und an der Lötschbergbahn Frutigen-Brig mit nahezu 4 Mill. Fr. beteiligte. Im Dezember 1899 erwarb der Kanton[254] die Konzession der letzteren für sich. Die Folge war, daß eine Reihe von Entwürfen entstand. So zunächst der Wildstrubel-Entwurf (1897 und 1903), vertreten durch Stockalper und Dr. Moser, der Entwurf Emch mit einem Basistunnel durch den Lötschberg, der Entwurf Beyeler, der eine neue Linie ab Bern mit Durchbohrung der Stockhornkette und des Wildstrubel vorsah. Dadurch wurde die Regierung des Kantons Bern veranlaßt, technische und geologische Untersuchungen über die sämtlichen hervorgetretenen Entwürfe anzuordnen.

Als solche Untersuchungen sind zu erwähnen: Das geologische Gutachten von Dr. v. Fellenberg, Dr. Kissling und Professor Schardt (1900), der technische Bericht und Kostenvoranschlag von J. Hittmann und K. Greulich (24. Sept. 1901).

Auf Grund des letzteren Berichtes bewilligte das Volk des Kantons Bern in seiner Abstimmung vom 4. Mai 1902 durch Gesetz eine Aktienbeteiligung von 17∙5 Mill. Fr. Hierauf erfolgte eine Expertise. Bald nach dem Erscheinen dieses Gutachtens bildete sich ein Konsortium, das auf Grund eigener Studien für die verschiedenen Entwürfe gegen Ende des Jahres 1905 Angebote für den Bau einreichte, mit deren Prüfung dann Herr Obering. Zollinger beauftragt wurde. Dieser beantragte im April 1906 in der Hauptsache den heute in Ausführung begriffenen Entwurf, und die Regierung stimmte, nachdem sie eine nochmalige Expertise hatte vornehmen lassen, dem Entwürfe zu. Am 27. Juni 1906 genehmigte auch der Große Rat des Kantons Bern diese Anträge, und am 27. Juli gleichen Jahres fand die Konstituierung der Berner Alpenbahn-Gesellschaft statt. Am 24. Sept. 1907 bewilligte sodann die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft dem Kanton Bern zu Händen der Gesellschaft eine einmalige Subvention von 6 Mill. Fr. zum Zweck der Erstellung der Doppelspur zwischen den Stationen Kandersteg und Goppenstein mit Einschluß des großen Tunnels unter der weiteren Bedingung, daß auch auf den beiden Zufahrtsrampen der Landerwerb für die zweite Spur, sowie die nötigen Anordnungen vorgenommen werden, um auch die spätere Erweiterung des Bahnkörpers auf die zweite Spur, ohne allzu große Schwierigkeiten durchführen zu können.

Am 1. Jan. 1907 übernahm die Berner-Alpenbahn-Gesellschaft die Konzession und das Eigentum der am 25. Juli 1901 dem Betrieb übergebenen Linie Spiez-Frutigen, die nunmehr die erste Sektion der Linie Spiez-Brig bildet.

Der Betrieb dieser Linie ist vertragsgemäß der Thunerseebahn (s.d.) übertragen. Diese ist als eingleisige Vollbahn gebaut worden.

Vom Bahnhof Spiez der Thunerseebahn ostwärts abzweigend, gelangt die Bahn durch den 1604 m langen Hondrichtunnel in das eigentliche Kander- oder Frutigtal und endigt beim Dorfe Frutigen. Da die Linie große Strecken längs der Kander sich hinzieht, so sind ziemlich umfangreiche Damm- und Sicherungsbauten notwendig geworden. Dieselben mußten auch bei den in die Kander mündenden Wildbächen hergestellt werden. Die bauliche Länge der Bahn beträgt 13.359 m, die Betriebslänge 13∙433 m oder rund 14 km. Die wichtigeren Straßenübergänge in Schienenhöhe sind im Jahre 1909 durch Unterführungen ersetzt worden.

Von der ganzen Bahnlänge befinden sich 13∙57% in horizontaler, 86∙43% in geneigter Lage, ferner 62∙73% in gerader Linie, 37∙27% in Bogen. Die Neigung im Durchschnitt der ganzen Bahn beträgt 11∙17‰. Der Bahnhof Spiez liegt 631 m ü. M., der von Frutigen 781 m ü. M.

Die größte Neigung beträgt 15∙5‰, der kleinste Bogenhalbmesser 300 m.

Der Oberbau der Bahn besteht aus 12 m langen Stahlschienen von 36 kg Gewicht f. d. laufende Meter. Die Weichen liegen auf Eisenschwellen, die übrigen Gleise auf Holzschwellen.

Am 31. Dez. 1910 besaß die Bahn 2 Verbundlokomotiven mit je 4 Triebachsen und 1 Laufachse. Mittleres Reibungsgewicht 42∙6 t. Einfache Westinghousebremse. Ferner besaß sie 10 zweiachsige und 3 vierachsige Personenwagen mit elektrischer Beleuchtung und Westinghousebremse. Die Bahn ist für den elektrischen Betrieb umgebaut, der am 1. Oktober eröffnet wurde. Als Stromsystem ist Einphasenwechselstrom mit 15.000 Volt Fahrdrahtspannung und einer Periodenzahl von 15 i. d. Sekunde gewählt. Nach dem gleichen System soll auch die zurzeit im Bau begriffene eigentliche Lötschbergbahn Frutigen-Brig elektrisch betrieben werden.

Die Gesellschaft hat nebst einer Anzahl Motorwagen den Bau von 2 Versuchslokomotiven veranlaßt. Die eine, System E. B. Z., wurde für eine Stundenleistung von je 2000 P.S. bei 400 Volt und 42 km/St. gebaut und ist ohne Vorspann im stände, eine Zugkraft am Haken bei erwähnter Geschwindigkeit von 10,000 kg, somit auf 27 Steigung einen Wagenzug von 310 t und auf 15 einen solchen von 500 t mit einer Geschwindigkeit von 42 km in der Stunde zu befördern. Bei Anfahrten kann die Zugkraft auf 15,000 kg gesteigert werden, wobei noch ein Reibungskoeffizient von 1/6 vorhanden ist. Sie hat 6 in zwei Drehgestellen[255] gelagerte Triebachsen. In jedem Drehgestell ist ein Einphasenmotor von 1000 P.S. eingebaut, die stärksten, die bis jetzt überhaupt zur Ausführung gelangt sind.

Das Gesamtgewicht von 86 t wird für die Reibung ausgenutzt. Die zweite Lokomotive, System A. E. G., besitzt ebenfalls 6 Achsen, von denen aber 2 Laufachsen sind. Sie kann auf der Steigung von 27 Züge von 250 t mit 40 km/St. Geschwindigkeit befördern, dabei eine auf 2 Motoren verteilte Leistung von 1600 P.S. entwickeln. Die größte Fährgeschwindigkeit für Motorwagen und Lokomotiven ist auf 70 km/St. festgesetzt.

Die Fahrdrahtleitung besteht in einer Bügelleitung mit annähernd achsialer Drahtführung mindestens 6∙5 m über Schienenoberkante und aus einem Kupferdraht von 100 mm2 für die durchgehende Linie.

Die bereits gewonnenen Erfahrungen mit sämtlichen Anlageteilen leisten den Beweis für die Durchführbarkeit des Einphasenwechsel-Strombetriebes für die allerschwerste Zugförderung einer Hauptlinie.

Die Linienführung der ganzen Lötschbergbahn ist in der Übersichtskarte, Abb. 89, dargestellt. Dabei ist zu bemerken, daß der große Tunnel ursprünglich in einer Geraden geplant war, nunmehr aber infolge eines Wasser- und Materialeinbruches, der am 24. Juli 1908 erfolgte, als man am Stollenort km 2∙675 erreicht hatte, nach einer abgeänderten Linie ausgeführt wird, die die Kander weiter oben im Gasterntal unterfährt.

Die Baulänge von der Abzweigung der Lötschbergbahn von der Linie Spiez – Frutigen bei Frutigen bis Einmündung in die S.B.B. in Brig beträgt rund 60∙364 m.

Die Nordrampe zum großen Tunnel hat von Frutigen bis zum Nordportal eine Länge von 20∙188 m. Hiervon liegen auf offener Strecke 15.260 m und in Tunneln 4924 m.[256]

Auf der Nordrampe liegen 12 Tunnel, wovon 4 eine Länge von mehr als 500 m haben; der längste ist der Kehrtunnel der oberen Schleife, der eine Länge von 1665 m aufweist. Viadukte von 50 bis 250 m Länge (durchweg gewölbt) kommen 6 vor, wovon der größte bei Frutigen eine Länge von 250 m hat.


Bern-Lötschberg-Simplon

Auf der Nordrampe sind ohne die Anfangsstation Frutigen 4 Stationen: Kandergrund in der Höhe von 863∙34 m ü. M., Blausee-Mittholz 977∙50 m ü. M., Felsenburg 1085∙92 m und Kandersteg 1179∙00 m ü. M. Der Stationsabstand wechselt zwischen 4 und 5 km.

Der große Tunnel zwischen Kandersteg und Goppenstein hat eine Länge von 14.536 m und wird zweigleisig ausgebaut.

Das Nordportal liegt in der Höhe von 1200∙00 m ü. M. Die Steigung bis zur Tunnelmitte beträgt 7‰, das Gefälle von dort bis Goppenstein (Südportal) 2∙5–3∙8‰. Der Scheitel des Tunnels liegt 1244∙10 m ü. M., das Südportal 1219∙55 m.

Die Südrampe beginnt in Goppenstein und geht bis Brig. Sie hat eine Länge von 25.390 m. Hiervon liegen 18.316 m auf offener Strecke und 7074 m in Tunneln. Im Verlauf der ganzen Strecke sind 21 Tunnel, wovon 4 länger als 500 m sind. Der längste erreicht 1365 m. Es kommen 9 größere Kunstbauten von 60 bis 140 m Länge u. zw., meistens gewölbte Viadukte vor. Der größte (Bietschtal) hat eine Länge von 140 m und eine freie Höhe von 70 m.[257]

4 Stationen sind auf der Südrampe vorgesehen: Goppenstein in der Höhe von 1219∙55 m ü. M., Hohtenn 1081∙28 m ü. M., Außerberg 934∙86 m und Lalden 804∙61 m ü. M. Brig, die Endstation der Berner Alpenbahn hat die Höhe von 681∙00 m ü. M.

Die Stationsabstände betragen 6–7 km (s. Längenschnitt, Abb. 90).

Wie schon erwähnt, wird der große Tunnel zweigleisig erstellt. Die Rampen werden so weit ausgebaut, daß eine Erweiterung auf das zweite Gleis keine Schwierigkeiten bereitet.

Die Baukosten betragen für den großen Tunnel 50 Mill. Fr. und für die beiden Rampen 37 Mill. Fr.

Die Arbeiten am großen Tunnel begannen am 1. Oktober 1906. Der Durchschlag erfolgte am 31. März 1911.

Die Eröffnung des Betriebs dürfte am 1. Mai 1913 erfolgen.

Während die Simplonbahn zurzeit nur eine westliche Zufahrt durch das Rhonetal besitzt, wird ihr durch die Lötschbergbahn eine zweite unmittelbar vom Norden kommende eröffnet. Damit werden ihr nicht nur das schweizerische Mittelland mit der Bundesstadt Bern, sondern auch die wichtigen Eingangstore Delle und Basel näher gebracht. Zur Verbesserung dieser Zufahrten erwarb die Berner-Alpenbahn-Gesellschaft durch Bundesbeschluß vom 24. Juni 1909 die schon unter dem 6. Nov. 1903 einem Komitee erteilte Konzession für einen neuen Juradurchstich Münster-Grenchen-Lengnau. Es wird dadurch das Verkehrsgebiet der Simplonbahn ganz erheblich erweitert und ist der Übergang der Lötschbergbahn in das Netz der schweizerischen Bundesbahnen wohl nur eine Frage der Zeit.

Die nachstehende Übersicht bietet einen Vergleich der Anlageverhältnisse der B. mit jenen der anderen großen Alpenbahnen Europas.

Die Lötschbergbahn wird an allen Endpunkten an die Schweizersichen Bundesbahnen anschließen, in Spiez überdies an die Spiez-Zweisimmen-Montreux-Bahn und in Münster an die Eisenbahn Münster-Solothurn.


Bern-Lötschberg-Simplon

Literatur: W. Teuscher, Eine Lötschbergbahn als Zufahrtslinie zum Simplon und direkte Verbindung Berns mit Wallis. Bern 1889. Büchler. – W. Teuscher, Die Lötschbergbahn. Neues verbessertes Projekt Thun-Brig. Kritische Vergleichung mit dem Gegenprojekt Thun-Simmental – Simplon (sog. Wildstrubelbahn). Bern 1898. Schmid & Franke. – E. Stockalper, Thoune-Simmental-Simplon. Sion. Imprimerie F. Agmon. 1897. – E. Stockalper, Wildstrubel et Lötschberg. Etude de la traversee des alpes bernoises. Extrait du bulletin technique de la Suisse romande du 25 Juin et 10 Juillet 1903. Lausanne. Imprimerie H. Vallotton et Poso. 1903. – J. Hittmann u. K. Greulich, Technischer Bericht und Kostenvoranschlag der Lötschbergbahn. Bern. Buchdruckerei Ott & Bolliger. 1901. – B. Emch, Ing. Bern, Berner-Alpen-Durchstich. Das Basisprojekt Emch für eine Lötschbergbahn mit 15 Maximalsteigung, 1004 m Kulminationspunkt, einem 21 km langen Basistunnel und 122 km Betriebslänge. Bern. September 1904. Buchdruckerei R. Sutter. – Schweizerische Bauzeitung, Bd. 40, S. 55 u. 67; Bd. 42, S. 137; Bd. 43, S. 21; Bd. 44, S. 121; Bd. 48, S. 18; Bd. 52, S. 43 u. 200; Bd. 53, S. 13; Bd. 55, S. 333 u. 347 (Berner Alpenbahnen von Dr. Zollinger). – L. Thormann, Anlage und Fahrzeuge für elektrische Traktion auf der Versuchsstrecke Spiez-Frutigen.

Dietler.

Abb. 89. Übersichtskarte der Lötschberg-Bahn.
Abb. 89. Übersichtskarte der Lötschberg-Bahn.
Abb. 90. Längenschnitt der Lötschbergbahn.
Abb. 90. Längenschnitt der Lötschbergbahn.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 254-258.
Lizenz:
Faksimiles:
254 | 255 | 256 | 257 | 258
Kategorien:

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon