Ablass

[9] Ablass oder Indulgenz heißt nach dem röm.-katholischen Lehrbegriffe das Nachlassen der Strafe, deren sich ein Glied der Kirche, nach dem Urtheile derselben, schuldig gemacht hat. Schon unter den ersten Christen war eine strenge Kirchenzucht gewöhnlich, wer unchristlich lebte oder während der Christenverfolgungen seinen Glauben verleugnet hatte, über den sprach die Gemeinde durch ihre Ältesten den Kirchenbann aus und es mußte ein solcher mit dem Bann Belasteter oft Jahre lang sich öffentlichen Büßungen und Kirchenstrafen unterwerfen, wenn er wieder in die Gemeinde aufgenommen sein wollte. Doch durften schon frühe die Vorsteher der Gemeinden Dem Etwas an diesen Strafen erlassen, welcher wirkliche Besserung zeigte. Diese strenge Kirchenzucht erschlaffte, als die christliche Religion immer weiter sich verbreitete. Erst als die Bischöfe sich zu Herren der Kirche gemacht hatten, wurde von ihnen zur Erweiterung ihrer Macht die Kirchenzucht wieder strenger gehandhabt und von ihnen die Erlassung der Strafen ausgesprochen, bis endlich der Bischof zu Rom das Recht Ablaß zu ertheilen für sich allein in Anspruch nahm. Besonders seit dem 12. Jahrh. ward es Sitte, nur Denen Ablaß zu ertheilen, welche zu Ehren der Religion fromme Stiftungen machten, Kapellen oder Kirchen erbauten, gegen die Ungläubigen in den Krieg zogen oder dazu Geld hergaben und andere gottgefällige Werke verrichteten. Noch weiter ging Papst Bonifaz VIII.; er erklärte 1299: das erste Jahr des neuen Jahrhunderts sei ein allgemeines Ablaß- und Jubeljahr; wer in demselben mit frommen Spenden nach Rom wallfahre, der könne volle Vergebung seiner Sünden aus dem unermeßlichen geistlichen Schatze der Kirche erhalten; denn nach einem schon damals aufgestellten Glaubenssatze vom überreichlichen Verdienste der Heiligen durch ihre überflüssigen guten Werke lehrte man: die Kirche zu Rom verwahre diesen Schatz; der heilige Vater aber habe die Macht, davon zu vergeben. Da nun die hierdurch veranlaßten Wanderungen gläubiger Christen dem päpstlichen Stuhle sehr einträglich wurden und die Päpste solcher Beiträge öfter bedurften, so ward nach 50, hierauf nach 33 Jahren, dann sogar aller 25 Jahre ein neuer allgemeiner Ablaß ausgeschrieben, bis endlich Papst Leo X. 1516 dem Kurfürsten zu Mainz Albrecht die Erlaubniß ertheilte, gegen Ablieferung der Hälfte des Gewinns auch außer der festgesetzten Zeit Ablaß zu predigen und zu verkaufen, und in der Schweiz für eigene Rechnung Ablaß ertheilen ließ. Tezel, vom Kurfürsten zum Ablaßprediger in Sachsen und Samson als solcher vom Papste für die Schweiz bestimmt, trieben aber ihr Wesen mit solcher Unverschämtheit, daß endlich in Sachsen Luther und in der Schweiz Zwingli gegen die verderbliche Ablaßkrämerei auftraten und dadurch die Reformation der Kirche ihren Anfang nahm. Auch in der röm.-katholischen Kirche wurde auf dem Concilium zu Trident (1545–63) das Verkaufen des Ablasses gänzlich verboten und blos die unentgeltliche Ertheilung desselben beibehalten. Ein solcher wird auch noch jetzt aller 25 Jahre, wie dies zuletzt 1825 geschah, von Rom aus in besondern päpstlichen Hirtenbriefen ausgeschrieben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 9.
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