Polytechnische Institute

[528] Polytechnische Institute und Schulen sind Lehranstalten für die mannichfaltigen Wissenschaften, Künste und Kenntnisse, welche bei der Ausübung von Gewerben und industriellen Unternehmungen aller Art in Betracht kommen. Sie sollen genaue Einsicht in die Zwecke gewerblicher Bestrebungen und die zur Erreichung derselben vorzunehmenden Arbeiten, die Natur der benutzten Stoffe, die Einrichtung und Wirkung der Werkzeuge und Maschinen und alle Einflüsse eröffnen, welche bei solchen Arbeiten vorkommen können. Die gewerbliche Thätigkeit gelangt durch den Besitz solcher Kenntnisse erst zum wahren Bewußtsein, das ihr abgeht, wenn sie nur auf der erworbenen Fertigkeit beruht. Nur Einsicht in den Vorgang bei der Bearbeitung eines Gegenstandes und die dabei ins Auge zu fassenden Naturgesetze und andere Umstände eröffnen den geraden Weg zu Verbesserungen, indem sie den Grund einer Unvollkommenheit auffinden lehren und setzen den Gewerbsmann in den Stand, mit Erfolg neue Mittel für seine Zwecke zu ergreifen. Lehrgegenstände polytechnischer Anstalten sind daher Physik oder die Lehre von den auf bloßer Bewegung beruhenden Naturerscheinungen, Chemie (s.d.); Naturgeschichte und Kenntniß der Naturproducte, sowie ihrer Benutzung (Waarenkunde); die Erklärung der wichtigern Gewerbe und Fabrikationen und der dabei angewendeten mechanischen und andern Arbeiten (Technologie); höhere und angewandte Mathematik; Mechanik und Maschinenkunde mit Erläuterung der wichtigern an guten Modellen; Zeichnen und zwar aus freier Hand, Maschinenzeichnen, architektonisches Zeichnen und Planzeichnen. Dazu kommt noch der Unterricht in der Buchhalterei über gewerbliche Unternehmungen, im schriftlichen Ausdruck und in neuern Sprachen, in Handelsrecht, Handelsgeschichte und Geographie. Drei bis vier Jahre werden zur vollständigen Ausbildung eines Zöglings in allen jenen Dingen für nothwendig geachtet, für viele Gewerbe aber ist schon der höchstens zweijährige Besuch einer solchen Anstalt hinreichend ersprießlich. In Deutschland befinden sich ausgezeichnete Institute der Art zu Prag (1801), Wien (1815), München, Berlin, Nürnberg (1823), Dresden (1828), [528] Karlsruhe und andern Orten; im Auslande ist vorzüglich die polytechnische Schule zu Paris berühmt, welche vom Nationalconvent 1795 gestiftet wurde. Die etwa 300 Zöglinge derselben, welche Uniform tragen, übernahmen bei der Julirevolution von 1830 eine sehr thätige Rolle zu Gunsten des Volkes und ließen später wiederholt Anhänglichkeit an republikanische Ideen bemerken.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 528-529.
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