Schröder-Devrient

[110] Schröder-Devrient (Wilhelmine), die größte jetzt lebende dramatische Sängerin, die Tochter der eben Genannten, wurde 1805 zu Hamburg geboren und betrat, fünf Jahre alt, zum ersten Mal die Bühne. Noch nicht zehn Jahre alt, wurde sie Mitglied des Hörschelt'schen Kinderballets in Wien. Später trat sie als Schauspielerin auf und 1821 zum ersten Male als Sängerin in der Rolle der Pamina in Mozart's »Zauberflöte«. Von der Natur mit einem schönen und kraftvollen Körper, sowie mit einer ausgezeichneten Stimme und Talent zu Gesang und Darstellung ausgestattet, geleitet von ausgezeichneten Lehrern, namentlich von ihrer genialen Mutter, that sie sich bald auf das vortheilhafteste hervor. Sie unternahm mehre Kunstreisen, auf welchen sie allgemeinen Beifall erntete. In Berlin verheirathete sie sich 1823 mit dem Schauspieler Karl Devrient und nahm mit ihm zusammen Engagement bei der dresdner Bühne an. Diese Ehe wurde jedoch nach einigen Jahren wieder getrennt. Den Gipfel des Ruhms erstieg sie, als sie 1830 in Paris eine Reihe von Vorstellungen gab, die mit unerhörter Begeisterung aufgenommen wurden. Nicht mindern Beifall fand sie 1832 in London. Gegenwärtig [110] ist sie wieder seit Jahren Mitglied des Hoftheaters in Dresden, hat jedoch alljährlich Kunstreisen unternommen. Was sie so ausgezeichnet in ihrer Kunst macht, ist nicht sowol die Lieblichkeit und Anmuth des Gesanges oder unerhörte Kunstfertigkeit, sondern die Kraft, der hinreißende Ausdruck, der Umfang ihrer Stimme, verbunden mit der strengsten Schule, vor Allem aber die Ineinsbildung des Gesanges mit einem Spiele, welches an edler Haltung, Naturwahrheit, besonders in der Leidenschaft, unübertrefflich ist. Sie vereinigt alle Vorzüge des Talents mit der Besonnenheit, Sicherheit, weisen Berechnung des Ganzen, welche das Genie charakterisiren.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 110-111.
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