Velde

[563] Velde (Karl Franz van der), einer der beliebtesten deutschen Schriftsteller der neuesten Zeit im Fache der Erzählung und des historischen Romans, war 1779 zu Breslau geboren, wo er auch seine Schulbildung erhielt, seit 1797 in Frankfurt an der Oder die Rechte studirte, nachher beim Stadtgericht in Breslau, dann als Stadtgerichtsdirector zu Winzig angestellt war. Von da kehrte er 1814 als Stadtgerichtsassessor nach Breslau zurück, legte aber wegen seiner Gesundheitsumstände und überhäuften Arbeiten diese Stelle nieder und nahm 1818 die eines Stadtrichters in Zobten an. Hier blieb er bis 1823, wo er nach einer überstandenen gefährlichen Brustkrankheit sich abermals nach Breslau wendete und hier als Justizcommissarius oder Anwalt lebte, aber schon im Apr. 1824 starb. Als Unterhaltungsschriftsteller hatte er seit 1809 Gedichte und Erzählungen in Zeitschriften, auch Einiges für die Bühne geliefert, bevor er seit 1817 mit umfänglichern Erzählungen hauptsächlich in der Abendzeitung auftrat, und sich nicht ohne Selbständigkeit der Richtung diesem Fache nun ausschließend zuwendete. Die Lebendigkeit und sehr treue Localfärbung seiner Schilderungen, geschmackvolle sprachliche Darstellung und große Haltung in seinen Charakteren wendeten ihm mit dem Interesse der gewählten Situationen rasch die Aufmerksamkeit der Lesewelt zu, deren Beifall er sich durch seine »Lichtensteiner«, »Wiedertäufer«, »Der böhmische Mägdekrieg«, »Christine und ihr Hof«, »Die Gesandtschaftsreise nach China«, welche letztere er meist auf dem Krankenlager verfaßte, immer steigend erwarb. Den Schauplatz seiner Romane wählte er bald im Norden, bald auf deutschem Boden, in Mexico oder China, und ließ sich von den Zuständen desselben so wenig wie von den Zeitverhältnissen, in welche er seine Begebenheiten und Personen einwebte, dazu verleiten, jenen ein Übergewicht über die letztern einzuräumen, wie es bei W. Scott in der Regel geschieht, daher man V. mit Unrecht den deutschen Scott genannt hat, indem er stets seinen Hauptzweck im Romane verfolgt. Seine gesammelten Werke (25 Bde., Dres. d. 1824 fg.) wurden nach seinem Tode von Böttiger und Theod. Hell, mit Anmerkungen und einer Lebensbeschreibung ihres Verfassers herausgegeben. – Auch seine Tochter Bertha, geb. 1811, gest. 1835 als Gattin des Bürgermeisters Richter in Breslau, ist als Erzählerin aufgetreten, und es sind von ihr gesammelte »Novellen« (2 Bde., Lpz. 1831–32), sowie »Prinz Wilhelm von Hessen« (Bunzlau 1833) erschienen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 563.
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