Dorothea, die Heilige

[203] Dorothea, die Heilige, die Heilige, eine Jungfrau in Alexandrien, eben so wegen ihrer Keuschheit und Gottesfurcht als wegen ihrer Reize[203] aus dem Kreise ihrer Gespielinnen hervorstrahlend. Dem Christenthum ihre ganze Seele widmend floh sie bald die Freuden der Jugend, und richtete den Blick nach einem höhern, geistigern Ziele. Dem himmlischen Bräutigam ihr reines Herz weihend, schlug sie jede Bewerbung um ihre Hand mit unerschütterlicher Festigkeit ab, und den christlichen Glauben durch Wort und That bewährend, ertrug sie alle Martern, welche über sie verhängt wurden, um sie zum Wanken zu bringen. Selbst als sie unter namenlosen Qualen den Märtyrertod erdulden mußte, rief sie ihren Mördern noch freudig zu: »Fahrt nur fort mit Eurer Pein, und versucht jede Grausamkeit an mir, die Euch in den Sinn kommt. Mein himmlischer Bräutigam hat mich eingeladen zu dem Ort, wo nie welkende Blumen ohne Zahl wachsen. Dort, wo die Brunnen des lebendigen Wassers quellen, das die Seele erquickt, dort werde ich frohlocken, und mit Christo verbunden sein.« Theophilus, ein Heide, der zu denen gehörte, die sie verurtheilt hatten, spottete dieser heiteren Zuversicht, und trug ihr auf, daß – wenn sie in jenes Paradies gelange – sie seiner gedenken, und ihm von den gepriesenen Blumen schicken möge. – Bald nach ihrem Tode erschien ihm ein schöner Knabe, und brachte ihm einen Gruß von Dorothea, und die erbetenen Blumen. Betroffen nahm Theophilus das mit Rosen geschmückte Körbchen in Empfang, als er sich aber nach dem Boten umsah, der es ihm dargereicht, war er verschwunden. Erschüttert von dem dunkeln Räthsel dieses Vorgangs, das er nur zu ahnen, nicht zu begreifen, noch weniger zu lösen vermochte, wandte er sich von Stund' an von dem heidnischen Glauben und ging zur christlichen Religion über. So erzählt die Sage.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 203-204.
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