Ulm

[254] Ulm. Für immer werth bleibt uns die Stunde, wo wir zum ersten Mal die jugendlichen Schwingen wachsen fühlten, und uns eine neue Welt von Hoffen und Wagen aufging. Mit inniger Freude begrüßen wir daher bei U. die jugendkräftige Donau. Dumpfselig hat sie ihre Kinderjahre verträumt am Fuße des Schwarzwaldes; hier aber, wo sich die Iller und Blau mit ihr vereint, wird sie sich plötzlich ihrer höheren Bestimmung bewußt. Freudig ahnt sie ihre einstige Majestät, deren Zeugen Vindobona's und Ofens Mauern, Belgrad's Zinnen sind, und beugt willig wie ein edles Roß zum ersten Mal den stolzen Nacken unter der Schiffe Last. Eine schöne, 1829 erbauete Brücke wölbt sich über dieselbe, welche zu dem bairischen Dorfe Neuum führt Das alterthümliche U. selbst, ehemals eine berühmte freie Reichsstadt, jetzt die Hauptstadt des Donaukreises im Königreiche Würtemberg, zählt zwar noch eine Bevölkerung von 15,000 Ew., doch sind die sonst so blühenden Woll- und Leinwandwebereien, sowie die Gewerbe überhaupt, [254] im Verhältniß gegen Hüher sehr gesunken. Doch sind die Bleichen, Tabaksfabriken, der Gartenbau und Samenhandel, der Schiffbau, die Schfffahrt und Spedition, deßgleichen die Verfertigung von Pfeifenköpfen, Graupen, Mehl, Zuckerbrod etc. nicht ohne Bedeutung. Auch mästet man in der Umgegend Schnecken, deren in manchen Jahren schon bis vier Millionen ausgeführt wurden. Die Festungswerke sind jetzt geschleift worden. Unter den Gebäuden sind außer dem ehemaligen deutschen Hause, dem Zeughaus, dem ehemaligen Wengenkloster und dem Theater, vorzüglich das Rathhaus mit seinem künstlichen Uhrwerke und der alte Münster bemerkenswerth. Die höchste Kirche in Deutschland, ist derselbe 416 F lang, 152 F. hoch und von ungeheuerem Umfange. Viele alte Gemälde schmücken seine innern Hallen; die Orgel von 45 Registern und 2925 Zinnpfeifen braust mit melodischer Donnerstimme den Choral zum Himmel empor; und stolz strebt der meisterhafte, 237 F. hohe Thurm über die Wolken hinan. Im ehemaligen Reichsgebiete der Stadt liegt auch in einer höchst romantischen Gegend das alte Bergschloß Albeck am Fuße der rauhen Alp.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 254-255.
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