[54] Ontologisches Argument für das Dasein Gottes besteht in dem Schlusse vom Begriffe Gottes auf die Existenz der Gottheit: Gott muß als Seiendes notwendig gedacht werden, also existiert Gott. die Existenz folgt aus seinem Begriffe. Sagt man: Gott muß als seiend gedacht werden, daher existiert er, so ist dies ein Fehlschluß, denn der Satz schließt schon die (nicht erwiesene) Realität Gottes ein. (Nur wenn ein realer Gott besteht, dann muß ihm die Existenz zugeschrieben werden.) Dagegen hat der Satz: Gott muß (auf Grund aller Erfahrungen, aller denkenden Weiterführung derselben, aller Postulate des Denkens und Gemüts) als seiend gedacht werden, den Wert einer Wahrheit mit (höchstem) Wahrscheinlichkeitswert.
Das ontologische Argument hat verschiedene Fassungen. Zuerst wird es von ANSELM VON CANTERBURY gebraucht. Er meint: Mindestens dem Begriff nach existiert (und zwar als das zuhöchst gedachte Wesen) Gott (im Geiste des Menschen). das höchste Wesen kann aber nicht bloß in der Vorstellung existieren. es muß daher auch an sich existieren. »Et quidem credimus, te (Gott) esse aliquid, quo nihil maius cogitari possit. – Sed certe ipse insipiens, quum audit hoc ipsum quod dico: bonum quo maius nihil cogitari potest, intelligit utique quod audit, et quod intelligit utique in eius intellectu est, etiam si non intelligat illud esse. – Convincitur ergo insipiens esse vel in intellectu aliquid bonum, quo maius cogitari nequit, quia hoc quum audit intelligit, et quidquid intelligitur in intellectu est. At certe id, quo maius cogitari nequit, non potest esse in intellectu solo. Si enim, quo maius cogitari non potest, in solo intellectu foret, utique eo, quod maius cogitari non potest, maius cogitari potest. – Existit ergo procul dubio aliquid, quo maius cogitari non valet, et in intellectu et in re.« »Hoc ipsum autem sic vere est, ut nec cogitari possit non esse. Nam potest cogitari aliquid esse, quod non possit cogitari non esse, quod maius est utique eo, quod non esse cogitari potest. Quare si id, quo maius nequit cogitari, potest cogitari non esse, id ipsum quo maius cogitari nequit, non est id, quo maius cogitari nequit, quod convenire non potest. Vero ergo est aliquid, quo maius cogitari non potest, ut nec cogitari possit non[54] esse, et hoc es tu, Deus noster« (Proslog. 2, 3). Dagegen wendet GAUNILO ein, man könne solcherweise z.B. auch von der Vorstellung einer vollkommenen Insel auf deren Existenz schließen (Liber pro insip. 5 – 6). ANSELM betont dagegen, daß der Begriff Gottes der eines notwendigen Wesens sei, das nicht als nicht seiend gedacht werden könne (Liber apologet. 3).
DESCARTES schließt aus dem im Begriffe Gottes als des vollkommensten Wesens enthaltenen Merkmal des notwendig-ewigen Seins auf die Existenz Gottes. »Considerans deinde [mens] inter diversas ideas, guas apud se habet, unam esse entis summe intelligentis, summe potentis et summe perfecti, quae omnium longe praecipua est, agnoscit in ipsa existentiam, non possibilem et contingentem tantum, quemadmodum in ideis aliarum omnium rerum, quas distincte percipit, sed omnino necessariam et aeternam. Atque ut ex eo quod, exempli causa, percipiat in idea trianguli necessario contineri, tres eius angulos aequales esse duobus rectis, plane sibi persuadet triangulum tres angulos habere aequales duobus rectis. ita ex eo solo, quod percipiat, existentiam necessariam et aeternam in entis summe perfecti idea contineri, plane concludere debet, ens summe perfectum existere« (Princ. philos. I, 14). »Ex eo, quod non possim cogitare Deum nisi existentem, sequitur existentiam a Deo esse inseparabilem, ac proinde illum re vera existere, non quod mea cogitatio hoc efficiat, sive aliquam necessitatem ulli rei imponat, sed contra quia ipsius rei, nempe existentiae Dei, necessitas me determinat ad hoc cogitandum« (Medit. V, p. 33. vgl. De meth. IV, p. 23). Ferner kann die Idee des Vollkommenen, Unendlichen nur vom Vollkommenen selbst herrühren (Princ. philos. I, 17 f., s. Gottesbeweise). SPINOZA nimmt das ontologische Argument zur Grundlage seines Systems. Unter »causa sui« (s. d.) versteht er »id, cuius essentia involvit existentiam, sive id, cuius natura non potest concipi nisi existens« (Eth. I, def. I). Gott oder die Substanz existiert notwendig, denn »posse existere potentia est« (l. c. prop, XI). Gottes Existenz ist eine ewige Wahrheit. Würde Gott nicht existieren, könnte der Geist ihn nicht denken (Em. intell.). LEIBNIZ schließt auf Gottes Existenz aus dem Begriffe des vollkommensten Wesens, sofern die Möglichkeit dieses Begriffes feststeht und ein zureichender Grund dazu besteht (Monadol. § 45).
Das ontologische Argument bestreitet KANT. »Die unbedingte Notwendigkeit der Urteile... ist nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen.« »Wenn ich das Prädicat in einem identischen Urteile aufhebe und behalte das Subject, so entspringt ein Widerspruch, und daher sage ich: jenes kommt diesem notwendigerweise zu. Hebe ich aber das Subject zusamt dem Prädicate auf, so entspringt kein Widerspruch. denn es ist nichts mehr, welchem widersprochen werden könnte. Einen Triangel setzen und doch die drei Winkel desselben aufheben, ist widersprechend, aber den Triangel samt seinen drei Winkeln aufheben, ist kein Widerspruch. Gerade ebenso ist es mit dem Begriffe eines absolut-notwendigen Wesens bewandt. Wenn ihr das Dasein desselben aufhebt, so hebt ihr das Ding selbst mit allen seinen Prädicaten auf, wo soll alsdann der Widerspruch herkommen« (Krit. d. rein. Vern. S. 469 f.). Existenz ist kein Merkmal eines Begriffes oder Dinges, das Wirkliche enthält nicht mehr als das Mögliche. »Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das Mindeste mehr als hundert mögliche« (l. c. S. 473). »Denke ich mir nun ein Wesen als die höchste Realität (ohne Mangel), so bleibt noch immer die Frage: ob es existiere oder nicht. Denn obgleich an meinem Begriffe von dem möglichen, realen Inhalte eines Dinges[55] überhaupt nichts fehlt, so fehlt doch noch etwas an dem Verhältnisse zu meinem ganzen Zustande des Denkens, nämlich: daß die Erkenntnis eines Objects auch a posteriori möglich sei« (ib.). »Unser Begriff von einem Gegenstande mag also enthalten, was und wieviel er wolle, so müssen wir doch aus ihm herausgehen, um diesem die Existenz zu erteilen. Bei Gegenständen der Sinne geschieht dieses durch den Zusammenhang mit irgend einer meiner Wahrnehmungen nach empirischen Gesetzen. aber für Objecte des reinen Denkens ist ganz und gar kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es gänzlich a priori erkannt werden müßte, unser Bewußtsein aller Existenz aber... gehöret ganz zur Einheit der Erfahrung« (l. c. S. 474). »Es ist also an dem so berühmten ontologischen (cartesianischen) Beweise vom Dasein eines höchsten Wesens aus Begriffen alle Mühe und Arbeit verloren, und ein Mensch möchte wohl ebensowenig aus bloßen Ideen an Einsichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermögen, wenn er, um seinen Zustand zu verbessern, seinem Kassenbestande einige Nullen anhängen wollte« (l. c. S. 475). – Früher stellte Kant selbst das Argument auf, es gebe ein Wesen, dessen Dasein der Möglichkeit seiner und aller Dinge vorangehe und dessen Dasein unbedingt notwendig sei (Princ. prim. sct. 2, 7. WW. II, 132 ff.).
Nach SCHELLING ist zu schließen: wenn Gott existiert, so existiert er notwendig, nicht zufällig (WW. I 10, 16 f.). HEGEL verteidigt das ontologische Argument. Gegen Kant erklärt er, es »müßte bedacht werden, daß, wenn von Gott die Rede sei, dies ein Gegenstand anderer Art sei als hundert Taler und irgend ein besonderer Begriff, Vorstellung oder wie es Namen haben wolle. In der Tat ist alles Endliche dies und nur dies, daß das Dasein desselben von seinem Begriffe verschieden ist. Gott aber soll ausdrücklich das sein, das nur als existierend gedacht werden kann, wo der Begriff das Sein in sich schließt. Diese Einheit des Begriffs und des Seins ist es, die den Begriff Gottes ausmacht« (Encykl. § 51). »Das, was dieses unmittelbare Wesen weiß, ist, daß das Unendliche, Ewige, Gott, das in unserer Vorstellung ist, auch ist, – das im Bewußtsein mit dieser Vorstellung unmittelbar und unzertrennlich die Gewißheit ihres Seins verbunden ist« (l. c. § 64, 68, 76, 193. vgl. WW. XII, 171 ff., 471 ff.). Nach MAMIANI würde der Gedanke des absolut Größten nicht bestehen bleiben, wenn kein reales Object ihm entspräche (Conf. I, 80 ff.). W. ROSENKRANTZ hingegen erklärt: »Der Fehler des ontologischen Beweises... besteht... darin, daß er das notwendige Sein in den Prämissen lediglich dem Begriffe Gottes entnimmt und als ein logisches voraussetzt, im Schlußsatze dagegen als ein wirkliches, außer dem Denken befindliches folgert« (Wissensch. d. Wiss. I, 451).
J. H. FICHTE bemerkt: »Das Vorhandensein der Idee eines Unbedingten in unserem Bewußtsein beweist die reale Existenz dieses Unbedingten (oder Gottes).« Denn wir kennen nur Bedingtes (Psychol. II, 120). Nach ULRICI hätten wir lauter Folgen ohne GRUND, wenn nicht der letzte Grund nur Grund und nicht Folge wäre (Gott u. d. Nat. S. 449). LOTZE schließt: »Wäre das Größte nicht, so wäre das Größte nicht, und es ist ja unmöglich, daß das Größte von allem Denkbaren nicht wäre« (Mikrok. III2, 557). G. SPICKER meint, der ontologische Beweis sei »kein Argument, sondern ein Postulat des Gemütes und der Religion. Es handelt sich darin nicht sowohl um die reale Existenz, als um die ideale Beschaffenheit oder größtmögliche Vollkommenheit. So gefaßt bekommt dieser Beweis einen Sinn und braucht nicht[56] in Bausch und Bogen abgelehnt und verworfen zu werden« (Kampf zweier Weltansch. S. 212). A. DORNER führt die Notwendigkeit der Annahme der Existenz Gottes darauf zurück, »daß, wenn wir überhaupt erkennen wollen, wir das allerrealste Wesen voraussetzen müssen«. »Die Notwendigkeit der Annahme der Existenz Gottes ist in unserem Denkvermögen selbst begründet. Sie beruht darauf, daß wir reale Kategorien denken müssen. Wir denken die Kategorie der in sich beruhenden Substanz mit Notwendigkeit. Wenn dieser Kategorie nichts Seiendes entsprechen würde, so würde unsere denkende Vernunft, die diese Kategorie bildet, für unser Erkennen unbrauchbar sein« (Gr. d. Religionsphilos. S. 205 f.), HAGEMANN wiederum, erklärt. »Das Object des Gottesbegriffs ist freilich... ein Wesen, worin Dasein und Wesenheit zusammenfallen, aber unser abstracter Begriff Gottes vermittelt uns nicht diese Einsicht, daß das Dasein von seinem Wesen unzertrennlich sei« (Met.2, S. 149). Vgl. WUNDT, Syst. d. Philos.2, S. 178.
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