Leo [1]

[743] Leo, Name von 12 Päpsten. L. I., der Große, röm. Diakon, aus einer der ersten Familien Toskanas stammend. wurde 440 der Nachfolger des Papstes Sixtus III. und regierte die Kirche 21 Jahre 7 Monate. Daß der Primat des röm. Stuhles allenthalben thatsächlich anerkannt sei, bewies L. durch die Art und Weise, wie er gegen die aus Nordafrika nach Italien geflohenen Manichäer sowie gegen die Priscillianisten in Spanien auftrat; der Streit des Hilarius von Arles mit Bischof Chelidonius von Besançon half bei, daß Kaiser Valentinian III. am 6. Juni 445 ein Gesetz erließ, wodurch der Primat auch rechtlich entschieden anerkannt u. der Kaiser zum Schutzherrn desselben gemacht wurde. Nachdem L. seine Stellung für Ordnung der Kirchenangelegenheiten Illyriens geltend gemacht, forderten die Eutychianer (s. Eutyches) seine ganze Thatkraft heraus, zumal der kaiserliche Hof lange eine schwankende und wechselnde Haltung annahm und Patriarch Anatolius von Konstantinopel sich niemals fügte. Während des Streites noch ward Rom durch den Papst vor den Schaaren des Attila (s. d.), bald darauf mindestens theilweise vor denen des Arianers Genserich (s. d.) geschützt. Der letzte bedeutende Kirchenstreit, den L. beilegte, brach 457 in Aegypten durch den Mönch Aelurus los. Die letzten Lebensjahre des Papstes füllte die Ordnung der Kirchenangelegenheiten des Abendlandes aus. Festsetzung der Zeit für die Osterfeier 455. L. st. 461 und hinterließ 96 Reden, 41 Briefe, andere zum Theil angezweifelte Schriften, herausgegeben von Quesnel, Paris 1675, Cacciari, Venedig 1755–57, 3 Fol. Gedächtnißtag 11. April. – L. II., der Heilige, aus Sicilien, Papst 682, reg. nur 101/2 Monat; gelehrt, fromm, verbesserte den Gregorianischen Kirchengesang. Gedächtnißtag 28. Juni. – L. III., der Heilige, ein Römer, Papst 795–816, krönte an Weihnachten 800 Karl d. Gr. zum röm.-deutschen Kaiser. Gedächtnißtag 12. Juni. – L. IV., gleichfalls ein Heiliger und Römer, reg. 847–55, schützte Rom gegen die Saracenen. – L. V., Papst 903, st. schon nach 5 Wochen im Kerker. – L. VI., erwählt 928. st. nach 7 Monaten eines gewaltsamen Todes. – L. VII., Papst 936–39, fromm und mild in sehr verderbter Zeit, hob die Klosterzucht. Durch ihn bewogen söhnte Abt Odo von Clugny den Alberich von Rom mit dessen Schwiegervater König Hugo von Italien aus. – L. VIII., Gegenpapst Johanns XII., dann Benedicts V. 963–65. – L. IX. Bruno, geb. 1002 aus dem elsässischen Grafengeschlechte der von Dachsburg, verwandt mit Kaiser Konrad II. und dem Hause Habsburg, wurde durch den Einfluß Kaiser Heinrichs III. 1048 Nachfolger des plötzlich gest. Damasus II., eiferte seinem Muster, L. d. Gr., würdig nach, machte den Hildebrand zum Güterverwalter des röm. Stuhles, leistete Außerordentliches für Kirchenzucht, reiste zu diesem Zwecke viel in Frankreich u. im deutschen Reich herum, trat in Italien den Normannen mit Energie entgegen, erlebte die völlige Trennung der griech. Kirche (s. d.) von der abendländischen, st. 1054 und wird als Heiliger verehrt. Gedächtnißtag 19. April. – L. X., Johannes von Medici, geb. 1475 zu Florenz, der 2. Sohn des Großherzogs Lorenzo d. Gr., zum Humanisten u. Hofmann erzogen, schon als Kind mit Pfründen überschüttet, 1492 Cardinal, entfloh den demokratischen Unruhen im Florentinischen durch Reisen ins Ausland, auch nach Deutschland, war 1506 bis 1512 unter dem Titel eines Legaten von Bologna Feldmarschall des Papstes Julius II., wurde 1513 Papst und nachträglich zum Priester geweiht. Wie sehr L. X. Künste und Wissenschaften förderte, ist bekannt; als Politiker strebte er, die Fremden aus Italien zu treiben und den Kirchenstaat sowie die Macht des Hauses Medici zu vergrößern. Um Mittel für Vertreibung der Türken aus Europa u. für Vollendung des Baues der Peterskirche zu erhalten, schrieb L. den Ablaß aus, der den äußern Anlaß zum Losbruch der Reformation abgab. Daß der Scharfblick des Papstes die Wichtigkeit des Auftretens Luthers verkannte,[743] ist unwahr. richtig dagegen, daß er sich mehr um Kunst und Wissenschaft als um den Glauben kümmerte u. zuviel auf Diplomatenkünste baute, so daß er erst energisch auftrat, als es zu spät war. In der Siegesfreude, die Franzosen durch die päpstlich-kaiserl. Waffen aus Italien vertrieben zu sehen, st. L. am 21. Dezbr. 1521. Vgl. M. Audin: Geschichte L.s X., deutsch von Brug, Augsburg 1845; W. Roscoeʼs Werk, deutsch von Glaser, Leipzig 1806. – L. XI., gleichfalls ein Mediceer. Papst am 1. April 1605, st. schon nach 26 Tagen. – L. XII., Annibale della Genga, geb. am 22. Aug. 1760 auf dem Schlosse Genga bei Spoleto, wurde 1783 Priester. Kämmerer Pius VI., hielt 1790 dem Kaiser Joseph II. in der Sixtinischen Kapelle eine vortreffliche Leichenrede, kam 1794 als Nuntius nach Deutschland, wo seine Persönlichkeit sich allenthalben Verehrung erwarb, richtete aber 1805 als Nuntius beim Regensburger Reichstag nichts für die Kirche aus, ebenso wenig bei Napoleon I. in Paris, lebte lange in einer Art Gefangenschaft in Italien, wurde 1816 erster Cardinalpriester, 1823 Papst. Regierte thätig und kräftig, schrieb 1824 ein Jubiläum aus, trat gegen die Freimaurer u. Carbonari auf, errichtete 1827 die oberrheinische Kirchenprovinz, förderte das Missionswesen sehr und wirkte auch für die Emancipation der engl. Katholiken; st. am 10. Febr. 1829. Seine Geschichte schrieb nach Artaud von Montor Theod. Scherer. Schaffhausen 1844.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 743-744.
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