Augenstäbe

[386] Augenstäbe (eye-bars), Flacheisenstäbe, die an den Enden zu dem sogenannten Auge erbreitert sind, das den verbindenden Gelenkbolzen aufnimmt.

Früher auch bei uns in den Kettenbrücken angewendet, bilden diese Augenstäbe jetzt noch einen wichtigen Bestandteil der amerikanischen Fachwerkskonstruktionen, in denen die bloß auf Zug beanspruchten Stäbe durchgehende in dieser Art, desgleichen die Zuggurte vorwiegend aus solchen kettenförmig verbundenen Augenstäben zusammengesetzt werden. Es ist dabei von besonderer Wichtigkeit, daß die einzelnen parallel liegenden Augenstäbe, aus denen ein Fachwerksglied besteht, zwischen den Augen oder Oefen genau gleiche Länge und möglichst übereinstimmenden Elastizitätskoeffizienten haben, da sich sonst die Spannung auf die einzelnen Stäbe nicht gleich verteilen würde. Nach den amerikanischen Lieferungsvorschriften soll der Unterschied der Längen, von Mitte zu Mitte des Bolzenloches gemessen, nicht mehr als 0,4 mm für je 6 m Länge betragen. Die Augen müssen zentrisch gebohrt sein und dem Bolzen nur eben den zu dessen Einbringung nötigen Spielraum (nach den amerikanischen Lieferungsvorschriften bei Bolzen bis 90 mm Durchmesser 0,5 mm, bei 152 mm und darüber 0,8 mm) gewähren. Bei den Stäben der Kettenbrücken wurden die Köpfe meist selbst in Gesenken ausgeschmiedet und mit der Barre durch Schweißung verbunden. In den amerikanischen Konstruktionen werden die Augen entweder durch unmittelbares Schmieden (Hämmern) oder aber jetzt, in allen größeren amerikanischen Brückenbauanstalten, durch Auftauchen mittels hydraulischer Pressen gebildet. Am vorteilhaftesten erscheint dabei das Sellersche Verfahren [1], bei dem die starke Stauchung dadurch vermieden wird, daß man ein oder mehrere Stücke von passender Länge vom Stabe abschneidet, auf das Stabende legt und mit demselben zusammenschweißt. Bei Stahl ist das Anschweißen von Lappen nicht möglich. Hier wird die Verbreiterung des Stabes durch Stauchen unter hydraulischem Druck bewirkt. Der am Ende bis zur Rot- oder Weißglut erhitzte Stab wird in die Stauchmaschine eingeschoben und an den Seiten durch kräftige Backen gefaßt, die den Stab hinter dem zukünftigen Hälse festklemmen. Ein Preßkolben staucht dann das vorstehende glühende Ende in die Kopfform. Die entstehenden Barte werden durch Stanzen entfernt und die Oberfläche geglättet. Hierauf wird das Loch mit kleinerem Durchmesser herausgestanzt und der Stab zum Glätten zwischen Walzen durchgeschoben. Nach neuerlichem Ausglühen folgt dann schließlich das genaue Ausbohren des Loches. Die europäischen Werke sind auf diese Herstellungsweise nicht eingerichtet. Man hat daher die Kettenglieder der jüngst erbauten Elisabeth-Hängebrücke in Pest in einem Stück aus Breiteisenlamellen herausgeschnitten [3], was allerdings bis zu 40% Abfall gab und hohe Herstellungskosten verursachte. Die hydraulisch gepreßten Bolzenaugen werden nach Fig. 1 kreisrund geformt. Nach den Versuchen von Shaler Smith u.a. soll die Querschnittsfläche des Auges (abzüglich Bolzenloch) das 1,4–1,8-fache der Querschnittsfläche des Stabes betragen, wenn der Bolzendurchmesser = 2/3 bis 1,5 der Stabbreite ist. Die früher üblichen gehämmerten Augen erhielten längliche Form (Fig. 2) mit a + a = 12/3 b und e = b. Die Dicke des Kopfes ist entweder gleich der des Stabes oder größer. In letzterem Falle kann bei gleichem Bolzendruck der Bolzen kleiner sein, dafür wird er aber länger, was sein Biegungsmoment vergrößert. Bei den Gurtungsstäben erhalten die Köpfe gewöhnlich gleiche, bei den Streben größere Dicke als der Stab.


Literatur: [1] Wencelides, Hilfsmaschinen und Werkzeuge für Eisen- und Metallbearbeitung, Wien 1877 (Bericht über die Weltausstellung in Philadelphia 1876, Heft 12). – [2] Ritter, Der Brückenbau in den Vereinigten Staaten Amerikas, Bern 1894. – [3] Zeitschrift des österreich. Ingenieur- und Architektenvereins 1904, Nr. 17.

Melan.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 386-387.
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