Arbeitsbuch

[687] Arbeitsbuch, von der Polizeibehörde auf die Person eines Arbeiters ausgestelltes Buch, in das der Arbeitgeber die Zeit des Ein- und Austritts des Arbeiters sowie die Art der Beschäftigung desselben einzutragen hat. Das A. ist eine Legitimationsurkunde des Arbeiters zur Bezeugung seiner Identität, dann zur Konstatierung des Bestandes wie der Dauer seines Arbeitsvertrags. Das A. gibt dem Arbeitgeber über die Persönlichkeit und die bisherigen Arbeitsverhältnisse des Arbeiters Aufschluß, dient als unanfechtbare Grundlage bei Streitigkeiten über den Arbeitsvertrag, erleichtert bei wandernden Arbeitern die Unterscheidung zwischen ordentlichen und unordentlichen und erschwert den Kontraktbruch. Gegen das A. wird geltend gemacht, daß in dieser Kontrolle der Beschäftigung der Arbeiter eine Kränkung der persönlichen Ehre der erwachsenen Arbeiter liege, daß sie die Abhängigkeit der Arbeiter von den Arbeitgebern befördere, daß insbes. auch Mißbrauch mit Arbeitsbüchern durch Zeichenvermerke in denselben seitens der Arbeitgeber getrieben werden könne. Obgleich an sich die Gründe für das obligatorische A. schwerer wiegen dürften und ordentliche, solide Arbeiter bei dieser Einrichtung den schlechten gegenüber besser situiert sind, wird für die Frage der Einführung des Arbeitsbuches doch darauf Rücksicht zu nehmen sein, ob der bessere Teil der Arbeiterklasse dagegen ist oder nicht. Jedenfalls ist es zweckmäßig, dem Arbeiter das Recht zu geben, ein solches A. zu besitzen und von seinem Arbeitgeber die Einträge über Ein- und Austritt zu verlangen (fakultatives A.). Obligatorische Arbeitsbücher für alle gewerblichen Arbeiter bestehen in Österreich (Gesetz vom 8. März 1885, § 79 ff., Verordnung vom 12. Mai 1885), Ungarn (Gesetz vom 1. Nov. 1885) und Rußland (Gesetz vom 3. Juni 1886) und bestanden bis vor kurzem in Frankreich und Belgien. In Frankreich wurden die Livrets d'ouvrier 1791 aufgehoben. durch das Gesetz vom 22. Germinal XI (12. April 1803), vervollständigt durch die Arrêts vom 9. Frimaire XII (1. Dez. 1803) und vom 10. Ventôse XII, für alle Arbeiter wieder eingeführt, aber durch das Gesetz vom 2. Juli 1890 neuerdings abgeschafft; jedoch gab das letztere Gesetz dem Arbeiter das Recht, ein Zeugnis zu fordern, das ausschließlich das Datum des Ein- und Austritts und Angaben über die Art seiner Beschäftigung enthält. Italien hat fakultative Arbeitsbücher (Gesetz vom 20. März 1865, Art. 48, 49). In Deutschland hatte die Gewerbeordnung von 1869 das obligatorische A. nur für jugendliche Arbeiter beibehalten. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 führte dagegen obligatorische Arbeitsbücher für alle Arbeiter unter 21 Jahren ein (ausgenommen im Hause ihrer Eltern beschäftigte Kinder und hausindustrielle Arbeiter, § 107–112) mit der Bestimmung, daß die Eintragungen des Arbeitgebers mit keinem Vermerk versehen werden dürfen, das den Inhaber des Arbeitsbuches günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bezweckt. Zugleich wurden für Kinder von 12–14 Jahren, die in Fabriken und diesen gleichgestellten Betrieben beschäftigt sind, statt des Arbeitsbuches eine Arbeitskarte (§ 137) vorgeschrieben. Das Gesetz vom 1. Juni 1891 hat die Arbeitskarte wieder beseitigt, dagegen das obligatorische A. für minderjährige Arbeiter beibehalten. Vgl. Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 7 (Leipz. 1874); Stieda, Art. A. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 687.
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