Augenpflege

[109] Augenpflege (Augendiätetik). Mit sorgfältiger Pflege des Auges muß von frühester Kindheit an begonnen werden. Das Auge des Neugebornen ist vor greller Lichteinwirkung zu schützen, namentlich soll ein schneller Wechsel zwischen Licht und Dunkel vermieden werden. Man verhülle deshalb das Fenster der Wohnstube mit einem mattblauen leichten Vorhang und nur, wenn die Sonne aus Fenster scheint, etwas dichter. Die Wiege des Kindes stellt man so, daß das Licht von der Seite einfällt, nicht von oben. Die Augen sind mit gekochtem lauwarmen Wasser und einem zarten, nur einmal zu benutzenden Leinwandläppchen sorgfältig zu reinigen. Sobald sich stärkere Schleimabsonderung einstellt, die Augenlider im Schlaf verkleben, sich röten, anschwellen, oder gar eine eiterartige Absonderung sich zeigt, muß sofort der Rat des Arztes eingeholt werden, da die Augenentzündung der Neugebornen (s. Augentripper), die gewöhnlich am dritten oder vierten Tage, zuweilen auch später eintritt, eine der allergefährlichsten Augenkrankheiten ist. Selbst nach Beseitigung der Gefahr für das Sehvermögen muß das für Entzündungen mehr als gewöhnlich empfängliche Auge gehütet werden. Jetzt aber ist der Genuß der frischen Luft ganz besonders vorteilhaft, natürlich unter strengen Vorsichtsmaßregeln gegen grelles Licht, raschen Temperaturwechsel und Zug. Bleiben trübe Stellen der durchsichtigen Augenhäute zurück, so muß der Arzt die Trübung zu beseitigen suchen. Im kindlichen Alter ist dies oft mit einfachen Mitteln bis zu einem gewissen Grade möglich, während es später schwerer oder gar nicht mehr gelingt. Fängt das Kind einige Wochen nach der Geburt an zu fixieren, so bemerkt man, daß sein Auge gern glänzenden, leuchtenden Gegenständen folgt. Diese und Spielzeuge sollen nicht so nahe gehalten werden, daß nur ein Auge sie sehen kann, da sonst Schielen soll entstehen können. Auch dürfen sie nicht zu klein sein, weil sie sonst wegen der erforderlichen Annäherung an das Auge Kurzsichtigkeit zur Folge haben könnten. Man soll Kinder fleißig im Freien an das Sehen entfernter Gegenstände gewöhnen. Bei skrofulösen Kindern kommt häufig die Phlyktänuläre Augenentzündung (s. d.) vor, auch bei Masern, Scharlach, Pocken werden die Augen in Mitleidenschaft gezogen.

Von besonderer Wichtigkeit ist es, die Augen der Kinder sorgfältig zu überwachen, wenn diese beginnen, ihre Augen zu regelmäßiger Beschäftigung zu gebrauchen. Die Kurzsichtigkeit (Myopia) hat zwar oft in angebornem myopischen Bau des Auges ihren Grund; öfter aber ist sie erworben, oder es bildet sich ein niederer Grad infolge unzweckmäßigen Gebrauchs des Sehorgans zu einem höhern aus. Besonders in den Schuljahren ist große Aufmerksamkeit auf Schädigungen sowohl in der Schule als im Hause zu verwenden (s. Kurzsichtigkeit), aber auch auf Weitsichtigkeit (Hypermetropie) muß sorgfältig geachtet und dieselbe möglichst frühzeitig durch passende Brillen korrigiert werden, weil sonst Asthenopie, Schielen, Amblyopie als Folgen der Hypermetropie auftreten können. Bei Wahl des Berufs sollte bei Neigung zu Augenschwäche stets der Rat eines erfahrenen Spezialaugenarztes eingeholt werden. Die Zeit der Geschlechtsentwickelung, zu der bei beiden Geschlechtern vermehrte Anlage zu Entzündungszuständen der Augen vorhanden ist, erheischt besonders sorgfältige Überwachung. Im reifern Alter ist das Auge zahlreichen Störungen und Leiden ausgesetzt, die durch die Berufsbeschäftigung bedingt werden. Damit die äußersten Anstrengungen von einem sonst gesunden Auge ertragen werden, ist vor allem hinreichendes Licht und richtige Beleuchtung erforderlich. Die Netzhaut gewöhnt sich wohl allmählich an geringe Lichtstärke und lernt selbst im Halbdunkel noch seine Gegenstände genau erkennen; ja ihre Empfindlichkeit nimmt bei abnehmendem Licht sogar noch zu. Aber gerade deshalb wird ein Auge, das lange das Tageslicht entbehren mußte, schon durch mäßiges Licht geblendet. Überhaupt ist jeder rasche Wechsel von sehr verschiedenen Helligkeitsgraden nachteilig. Es ist schädlich, zu lesen oder zu schreiben etc., während die Sonne das Papier bescheint. Auch das Licht des Vollmondes, grelles Feuer, elektrisches Bogenlicht können die Augen bei längerer Einwirkung schwächen. Sehr intensives Lampenlicht ist durch matte Glocken zu dämpfen und anderseits zu schwaches Abendlicht beim Lesen zu vermeiden. Nachteilig wirkt auch das Licht, das von hellen Wänden, glatten Gegenständen oder beschneiten Flächen zurückgeworfen wird (s. Schneeblindheit).

Bei künstlichem Licht kann auch die Farbe des Lichtes das Auge reizen. Das vorwiegend gelbe und rote Strahlen enthaltende Lampenlicht greift die Augen mehr an als Tageslicht, läßt Farben anders als bei diesem erscheinen und macht die Verarbeitung farbiger Stoffe schädlich. Die offen brennenden Lichter, Kerzen und Gasflammen geben eine unruhige Beleuchtung; am besten eignen sich Petroleumlampen, Gasglühlicht und elektrische Glühlampen mit matter Birne. Der Fuß der Lampen sollte stets dunkel gefärbt sein, damit nicht falsches Licht in die Augen falle. Falsches Licht nennt man dasjenige, das, wenn das Auge auf einen Gegenstand gerichtet ist, gleichzeitig von andern Punkten aus die Netzhaut trifft. Fleißiges Auswaschen der Augen mehrmals des Tages ist sehr ratsam, besonders bei unreiner Luft.

Kommt ein fremder Körper ins Auge, so reibe man nicht an denselben, sondern suche die Augenlidspalte offen zu erhalten, rolle die Augen stark hin und her und wasche sie mit frischem Wasser aus. Verletzungen der Hornhaut durch kleine Metallsplitter, wie sie bei Arbeitern in Eisenfabriken häufig vorkommen, erfordern stets ärztliche Behandlung. Kommen ätzende Substanzen in das Auge, wie Mineralsäuren oder Kalk, so ist vor allen Dingen fleißiges Auswaschen mit viel Wasser nötig, dann träufle man lauwarme Milch oder Öl ein und mache kalte Umschläge, bis der Arzt kommt und das Weitere verordnet. In einer mit Tabakrauch erfüllten Atmosphäre werden die Augen stark gereizt, zumal wenn der Rauch direkt an das Auge herantritt. Über die Wahl einer Brilles. Brille. Schließlich sei mit Nachdruck vor dem Gebrauch der zahlreich angepriesenen Augenwässer gewarnt. Vgl. Arlt, Die Pflege der Augen (3. Aufl., Prag 1865); Jüngken, Augendiätetik (Berl. 1870); Heymann, Das Auge und seine Pflege (3. Aufl. von Schröter, Leipz. 1887); Klein, Das Auge und seine Diätetik (Wiesb. 1883); Löcher er, Das Auge und das Sehen (Berl. 1884); H. Cohn, Die Hygiene des Auges in den Schulen (Wien 1883); Derselbe, Lehrbuch der Hygiene des Auges (das. 1892); Fick, Gesundheitspflege des Auges im Handbuch von Gräfe-Sämisch (2. Aufl., Leipz. 1898 f.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 109.
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