Avicenna

[201] Avicenna (eigentlich Ibn Sîna), berühmter arab. Arzt und Philosoph, geb. 980 zu Asschena in der Nähe von Bochara, gest. 1037 in Hamadan, erhielt in Bochara seine gelehrte Bildung, wurde Leibarzt bei dem letzten samanidischen und mehreren dilemitischen Sultanen, auch eine Zeitlang Wesir in Hamadan, lehrte zu Ispahan Medizin und Philosophie. Seine Hauptwerke gehören der arabischen Literatur an; wir besitzen aber von ihm auch gelehrte Abhandlungen und Gedichte in persischer Sprache. Sein medizinischer »Kanon« diente jahrhundertelang als Grundlage des Unterrichts; seine »Augenheilkunde« wurde deutsch von Hirschberg und Lippert herausgegeben (Leipz. 1902). In der Philosophie ging er zwar von der dem Neuplatonismus verwandten Richtung seines Vorgängers unter den Arabern, Alfarabi, aus, näherte sich aber der Lehre des Aristoteles. Die Materie, das Prinzip der Individuation, ist nicht eine Emanation aus der Gottheit, sie ist ewig und hat in sich alle Möglichkeit. Gottes erstes und allein unmittelbares Produkt ist die Intelligenz (die Weltseele); von da reicht durch die Kette der verschiedenen Himmelssphären hindurch die Kette der Ausflüsse (Emanation) bis auf unsre Erde herab. Aber dieselbe Ursache, welche die Dinge erzeugt, muß sie auch erhalten; Ursache und Wirkung sind gleichzeitig, die Welt daher ebensogut von Ewigkeit wie Gott. Avicennas Schriften, die größtenteils schon im 12. Jahrh. ins Lateinische übersetzt wurden, erschienen in dieser Übersetzung teilweise (die Metaphysik) schon 1493, die Logik und einige andre 1495 zu Venedig und seitdem öfter (Vened. 1523, 5 Bde.; Basel 1556), arabisch der Kanon, mit einem Anhang über die Prinzipien der Logik, Physik und Metaphysik, teilweise zu Rom 1593, vollständig Bulak 1294 d. H., 3 Bde. F. Mehren gab heraus: »Traités mystiques d'A.« (arab. Text mit franz. Kommentar; Leiden 1889–99, Heft 1–4). Vgl. Flügel, Diss. de arabicis scriptorum graecorum interpretibus (Meißen 1841); Landauer, Beitrag zur Psychologie des Ibn Sina (Münch. 1872); Carra de Vaux, Avicenne (Par. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 201.
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