Ispahan

[65] Ispahan (Isfahan), unter Schah Abbas die Hauptstadt von Persien, jetzt nur von einem kleinen Bezirk, doch nächst Teheran die ansehnlichste Stadt, wiewohl jetzt größtenteils in Ruinen und nur noch 70–80,000 Einw. zählend, während ihre frühere Bevölkerung auf das Acht- bis Zehnfache veranschlagt wurde. Sie liegt in einer fruchtbaren Gegend am Senderud, einem Steppenfluß, 1585 m ü. M. Der Umfang ihrer halbverfallenen Mauern beträgt 37 km; doch ist das Innere stundenweit ganz öde. Von den angeblich 137 königlichen Palästen sind nur noch wenige in leidlichem Zustand. Ebenso sind mehrere prächtige Brücken vorhanden, noch glänzen viele vergoldete Moscheenkuppeln und schlanke Minaretts. I. hat jetzt 12 große neben kleinern Moscheen, 13 Gelehrtenschulen, 18 große Bäder, üppige Gärten, zahlreiche überdachte Basare und große Karawansereien, aber enge, krumme und schmutzige Straßen. An der Südseite des Flusses liegt die Vorstadt Dschulfa, mit einigen tausend Armeniern, 10 Kirchen (darunter eine bischöfliche Kathedrale), 2 Klöstern und mehreren Schulen. Unter den Gebäuden verdient zumeist Erwähnung der in einem prächtigen Garten liegende Palast Tschehil-Situn (der »vielsäulige«), vorn mit 20 schlanken, 15 m hohen, auf Marmorsockeln ruhenden und mit Spiegeln ausgelegten Säulen und einer offenen, ebenfalls mit Spiegeln ausgelegten Halle dahinter, die einen Springbrunnen enthält und in den Hauptraum führt, einen hohen, glänzend geschmückten Saal mit Wandgemälden (Szenen aus dem Leben des Schah Abbas [1586–1628]). Das Tor Ali-kapi (mit fünf Stockwerken) führt auf den jetzt verödeten Meidan-i-Schah (»Königsplatz«), der mit 845 m Länge, 227 m Breite für den größten Marktplatz der Welt gilt und von einem eigentümlichen Bauwerk mit zwei offenen Gängen übereinander umgeben ist. An der Nordostseite liegt die große Moschee Lutf Allah, an der Südostseite die Hauptmoschee (Mesdschid-i-Schah), die prächtigste des Morgenlandes, an der Nordwestseite der Eingang zu den Basaren und über demselben die Galerie Nakkarah-Chaneh, in der Mitte das Kapuk, ein hoher Pfahl, an dessen Fuß die Hinrichtungen vollzogen werden. Der erhebliche Gewerbfleiß von I. erzeugt Seiden- und Baumwollenzeuge, Wollenstoffe, Samt, Hieb- und Schußwaffen, Pulver, Bijouterien, Pantoffeln, Schuhe nach europäischer Art, Sättel und Pferdegeschirre, Holzmosaik etc. Wichtiger noch ist der Handel durch die Lage an der Hauptstraße (mit Telegraph und Reitpost) zwischen Teheran mit dem Persischen Golf (Buschir) und an den Straßen nach Kirman, nach Bender Abbas und Südafghanistan, nach Meschhed und Herat. – I. ist das Aspadana des Ptolemäos und wurde der Legende zufolge von Juden gegründet, die durch Nebukadnezar in die Gefangenschaft geführt waren. Unter der Herrschaft der Seldschuken verlegte Dschelal ed Din Malek Schah zeitweilig die Residenz von Chorasan nach I., das damals eine der reichsten Städte des Orients war. Nach seiner Zerstörung durch Timur erlangte es eine neue glänzende Blüte unter Abbas d. Gr., der es wieder zur Hauptstadt des persischen Reiches machte, die es bis zum Anfang des 18. Jahrh. blieb. 1722 hatte I. in den Bürgerkriegen viel zu leiden. Auch Erdbeben trugen zum Verfall der Stadt bei.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 65.
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