Eisenbahnverwaltung

[548] Eisenbahnverwaltung betrifft die Unterhaltung der Bahnen und der zugehörigen Anlagen, die Beschaffung und Instandhaltung der erforderlichen Betriebsmittel (s. Eisenbahnbetriebsmittel), die Ausführung und Überwachung des gesamten Betriebs- und Verkehrsdienstes und der sonstigen damit verbundenen Geschäfte kommerzieller, finanzieller und administrativer Natur. Sie wird ausgeübt bei den Staatsbahnen durch die verschiedenen Eisenbahnbehörden (s. d.). Der eigentliche Betriebsdienst (s. Eisenbahnbetrieb) zerfällt in den Stations-, den Zug- und Fahrdienst. Der Stationsdienst wird unter Leitung des Stationsvorstandes (Stationsvorsteher 1. oder 2. Klasse, -Verwalter, Bahnhofsinspektor, Bahnhofsvorstand, Bahnhofsverwalter oder, auf Stationen geringerer Bedeutung, Stationsaufseher genannt) von diesem, den ihm je nach dem Umfang der Station beigegebenen Hilfskräften an Assistenten, Diätaren, Telegraphisten, Rangier- und Wagenmeistern, Pförtnern (Portiers) und den weiter erforderlichen Arbeitskräften, Rangierern etc., ausgeführt. Den Bahnwärtern fällt neben der Bewachung der ihnen zugeteilten Gleisstrecke auch die unmittelbare Fürsorge für deren ordnungsmäßige Instandhaltung, eigenhändige Beseitigung kleinerer Mängel und die Bedienung der Schranken (Barrieren) an vorhandenen Bahnübergängen zu, letzteres, soweit dafür nicht besondere Bedienstete bestellt sind. Die vorhandenen Weichen, einzeln oder in Stellwerken zentralisiert, werden durch Weichensteller (-Wärter) bedient. Im Zugdienst sind tätig: der Lokomotivführer und -Heizer (Feuermann) für die Führung und Bedienung der Lokomotive, im Fahrdienste der Zugführer (Oberschaffner, Kondukteur) für die Leitung und ordnungsmäßige, namentlich pünktliche Ausführung. Während der Fahrt ist er der Vorgesetzte der Zug- und Fahrbeamten, auf den Stationen untersteht er mit diesen dem Stationsvorstand, bez. dem diensthabenden Stationsbeamten. Die weitern Fahrbeamten sind Packmeister, denen die ordnungsmäßige Verladung etc. des Gepäcks, Schaffner, denen die ordnungsmäßige Unterbringung der Reisenden in den Wagen, die Prüfung der Fahrkarten, das Ausrufen der Stationsnamen u. dgl. obliegt, Bremser zur Bedienung der am Zuge vorhandenen Bremsvorrichtungen und Wagenwärter, denen die Fürsorge für betriebssichere Instandhaltung der Wagen und ihrer Zubehörstücke (Bremsen, Heizvorrichtungen) obliegt. Der Verkehrs- (Kassen- und Abfertigungs-) Dienst wird bei den Stationskassen, Fahrkartenausgabestellen, den Gepäck-, Eilgut-, Güterabfertigungsstellen (-Expeditionen, -Kassen) durch Stationskassenrendanten (nur auf großen Stationen), Stationseinnehmer, Gepäck- und Güterverwalter (-Expedienten) und deren Gehilfen, Assistenten und Diätaren, ausgeführt. Im Gepäck-, Eilgut- und Güterabfertigungsdienst sind Lade- (Boden-) Meister mit der Entgegennahme, Verwiegung etc. der einzelnen Sendungen und ein vielfach sehr zahlreiches Arbeiterpersonal mit der Ver- und Entladung etc. betraut. Gepäckträger stehen auf allen größern Stationen den Reisenden zur Beförderung ihres Gepäcks gegen Entrichtung bestimmter Gebühren zur Verfügung. Die Gepäckträger übernehmen auch die Aufbewahrung von Handgepäck unter eigner Verantwortlichkeit, soweit die Verwaltung nicht (auf den Bahnhöfen großer Verkehrsmittelpunkte) besondere Aufbewahrungsstellen unter Haftung für die aufbewahrten Gegenstände eingerichtet hat (s. Eisenbahngepäckaufbewahrungsstellen). Die Verwaltung der Privatbahnen wird unter Oberleitung eines (Aufsichts-) Verwaltungsrats meist von einer (Spezial-) Direktion ausgeübt. die sich dazu für die einzelnen Dienstzweige besonderer Oberbeamten, Oberingenieur für den Betriebsdienst und die Bahnunterhaltung, Obergüterverwalter (Güterdirigent) für den Abfertigungs- und den äußern Kassendienst, Obermaschinenmeister für den Maschinendienst, bedient. Im übrigen wird bei den Privatbahnen die E. durch gleichartige Dienststellen wie bei den Staatsbahnen gehandhabt.

In Österreich-Ungarn ist die Verwaltung der Staatsbahnen je einer Generaldirektion übertragen, deren Organisation mit der der preußischen Staatseisenbahnverwaltung manche Ähnlichkeit aufweist. Die Verwaltung der Privatbahnen ist nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten organisiert, im großen und ganzen aber ähnlich wie in Deutschland.

In England, tao die Eisenbahnen wie alle andern industriellen Unternehmungen nur mit wenigen Ausnahmen als Erwerbsgeschäfte durch Aktiengesellschaften ins Leben gerufen wurden, sind die meisten Eisenbahnverwaltungen den verfügbaren Personen angepaßt und haben sich meistens in solchen Traditionen erhalten. An der Spitze der Gesellschaft steht in der Regel eine Direktion (board of directors), diese unter Umständen auch unter einem höhern Gesellschaftsorgan. Die Direktoren versammeln sich nur in längern oder kürzern Zeiträumen zu Beratungen unter einem Vorsitzenden (chairman). Unter einem general manager (auch traffic manager) pflegen dann folgende Dienststellen den ausübenden Dienst wahrzunehmen: eine Ingenieurabteilung (engineers' department) für den technischen Bahndienst (maintenance of way) und das Bauwesen, eine mechanische Abteilung (locomotive department) für den Werkstätten- und Transportdienst, zuweilen bei größern Bahnen eine Abteilung für Personentransport und Betriebspolizei (passengers' and police department), in der Regel bei allen Bahnen eine Güterabteilung (goods' department) unter einem Güterverwalter (goods' manager) für den Expeditionsdienst, weiter eine Abteilung für Buchhaltung und Magazinverwaltung[548] (finance and stores' department) sowie ein Kontrollbureau (audit- and checkoffice). Buchhalter und Schreiber (clerks), bei den technischen Dienstzweigen Ingenieure (engineers), Zeichner (draftsmen) und Werkmeister (foremen) bilden das Hilfspersonal, während die Aufsichtsbeamten (comptrollers) in der Regel der Direktion, und zwar speziell dem Sekretär oder dem general manager, beigegeben sind. Gegenüber den kontinentalen Verhältnissen arbeitet die E. in England selbst bei wichtigen und umfassenden Dienststellen mit ungemein wenig Bureauapparat; gleichwohl geht der Dienst sehr präzis, weil er nicht, wie es in Deutschland vielfach der Fall ist, von ursprünglich berufsfremden Beamten, sondern durch Leute ausgeübt wird, die den Eisenbahndienst von frühauf als Lebensberuf erwählt und bereits eine Praxis darin gewonnen haben, bevor sie in ihre Stellen gelangten. Die Abrechnung zwischen den einzelnen Bahnen besorgt ein gemeinschaftliches Railway-Clearing-House (s. Eisenbahn-Clearinghaus).

In Frankreich bestehen die großen geographisch abgegrenzten Bahnverwaltungen aus einem von der Generalversammlung gewählten Administrationsrat der bei dem Aktienbesitz zumeist beteiligten Männer der verschiedensten Berufsarten, unter dem ein Direktor die Leitung des gesamten Unternehmens führt. Unter ihm stehen meist drei Abteilungen, nämlich: 1) für die allgemeine Verwaltung (service centrale) mit den Departements des Sekretariats des Verwaltungsrats (secrétariat du conseil de la direction), des allgemeinen Rechnungswesens (comptabilité générale) und des allgemeinen Betriebsdienstes (service de l'exploitation), 2) für den Baudienst (service de la construction) und 3) für den ausführenden Betriebsdienst (service de l'exploitation), der zerfällt a) in den Bahndienst (service de l'entretien et de surveillance de la voie et du matériel fixe), b) den Materialdienst (Beschaffung der Schienen, Schwellen etc., service du matériel de voie et fixe), c) den Maschinendienst (service du matériel roulant et de traction) und d) den speziellen Betriebsdienst (service de l'exploitation), der den Transportdienst (mouvement) und das Verkehrswesen (service commerciel) umfaßt. Die Zentralisation der französischen Eisenbahnverwaltungen ist vielfach zu weit getrieben und zeigt alle Vorteile u. zugleich alle Nachteile des streng zentralisierten Systems. Vgl. v. Stengel, Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts (Freiburg 1890, mit 3 Ergänzungsbänden bis 1897); Röll, Enzyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens (Wien 1890–95, 7 Bde.); Krönig, Die Verwaltung der preußischen Staatseisenbahnen (Bresl. 1891–93, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 548-549.
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