Eukleides

[157] Eukleides (Euklīd), 1) erster Archon in Athen 403 v. Chr. nach der Vertreibung der Dreißig Tyrannen, unter dem die Wiederherstellung der Solonischen Verfassung unter allgemeiner Revision der Gesetze stattfand, wobei das ionische (Eukleidische) Alphabet an der Stelle des alten in Staatsschriften eingeführt ward.

2) Griech. Philosoph, Stifter der megarischen Schule, aus Megara, nach unsichern Angaben aus Gela in Sizilien gebürtig, lebte zur Zeit des Peloponnesischen Krieges. Anfangs ein Anhänger der eleatischen Philosophie, schloß er sich später an Sokrates an; da den Megarensern der Besuch Athens bei Todesstrafe verboten war, schlich er sich nachts in Weiberkleidern in die Stadt, um jenen zu hören, war auch bei dessen Tode gegenwärtig und nahm sodann die zerstreuten Schüler desselben in Megara bei sich auf. In den Grundsätzen der megarischen Schule gibt sich der Einfluß der eleatischen Lehre darin kund, daß sie den Satz aufstellte, das Seiende sei Eins, während der Einfluß des Sokrates darin hervortritt, daß sie hinzufügt, das Eins sei das Gute. Besonders pflegte E. die dialektische Seite der eleatischen Philosophie. Seine Schule wurde deshalb auch die eristische, später die dialektische genannt. Seine Logik verwarf alle Schlüsse aus Induktion, ebenso den Beweis aus Analogie. Von den Schriften des E. hat sich nichts erhalten. Unter E.' Nachfolgern sind die bekanntesten Eubulides aus Milet, Diodoros mit dem Beinamen Kronos aus Jassos in Karien und Stilpon aus Megara. Vgl. Ritter, Über die Philosophie der megarischen Schule (im »Rheinischen Museum für Philologie«, Bd. 2, 1827); Dyck, De Megaricorum doctrina (das. 1827); Mallet, Histoire de l'école de Mégare (Par. 1845); Hartenstein, Historisch-philosophische Abhandlungen (Leipz. 1870).

3) E., »der Vater der Geometrie«, aus Gela oder Tyros gebürtig, lebte um 300 v. Chr. in Alexandria am Hofe des Ptolemäos Lagi. Von den uns erhaltenen Schriften des E. sind die berühmteste die »Stoicheia«, d. h. Elemente (Anfangsgründe) der Geometrie, in 13 Büchern, denen später als Anhang noch zwei hinzugefügt sind, das erste von Hypsikles (s.d.). Dieses Werk, eine meisterhafte Zusammenfassung alles dessen, was die Vorgänger des E. und E. selbst auf dem Gebiete geleistet hatten, ist noch heute ein Muster eines Lehrbuches und an nachhaltiger Wirkung von keinem spätern mathematischen Lehrbuch erreicht (Übersetzungen von Lorenz, Halle 1781, 6. Aufl. 1840; Buch 1–6,11–12 neu hrsg. von Hartwig, das. 1860, und von Hoffmann, Mainz 1829). Einen sehr wichtigen Kommentar besitzen wir von Pappos (s.d.) zum ersten Buch. Seit dem 8. Jahrh. wurde es von den Arabern fleißig übersetzt und erklärt; von ihnen hing im wesentlichen auch die mittelalterliche lateinische Übersetzung (von Adelhard v. Bathim, 12. Jahrh.) ab. Eine zweite noch vorhandene Schrift, »Data«, ist eine Art Einleitung in die geometrische Analysis (hrsg. von Wurm, Berl. 1825). Die Schrift »Phaenomena« enthält die Grundzüge der Astronomie (hrsg. von Hunt, Oxf. 1707). Nur in spätern Überarbeitungen ist vorhanden seine »Optik«, dagegen ist die »Katoptrik« wohl untergeschoben. Ebenso gibt es neben der echten »Einteilung des Kanons«, in der die Intervallenlehre behandelt wird, eine untergeschobene »Einleitung in die Harmonik«. Die Schrift »De divisionibus«, eine Aufgabensammlung über Figurenteilung, ist nur in arabischer Übersetzung erhalten. Verloren sind außer andern drei Bücher »Porismen«, eine Sammlung von mathematischen Folge- und Hilfssätzen (vgl. Chasles, Les trois livres de Porismes d'Euclide, Par. 1860). Wichtigste Gesamtausgabe von Heiberg und Menge (Leipz. 1883–95, 7 Bde.). Vgl. M. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1894); Zeuthen, Geschichte der Mathematik im Altertum und Mittelalter (Kopenh. 1895); Heiberg, Literargeschichtliche Studien über Euklid (Leipz. 1882); Dodgson, Euclid and his modern rivals (Lond. 1879); T. Smith, Euclid, his life and system (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 157.
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