Exemtion

[210] Exemtion (lat.), Ausnahme, Befreiung von einer sonst allgemein auferlegten Last (Steuer-E.); insbes. im kanonischen Recht Befreiung von der geistlichen Jurisdiktion des Diözesanbischofs oder sonstiger ordentlicher Kirchenbeamten und Unterstellung unter einen höhern Kirchenobern oder unter den Papst selbst Früher gab es eine Menge Klöster und Kapitel, die der ordentlichen bischöflichen Gerichtsbarkeit entzogen waren; die Universitäten genossen ebenfalls dieses Privilegium; ja, ganze Orden, z. B. die Cistercienser, Cluniacenser, Prämonstratenser etc., wurden auf diese Weise dem Papst unmittelbar unterworfen. Einzelne exemte Bischöfe, die also unmittelbar unter dem päpstlichen Stuhl stehen, gibt es jetzt noch; solche sind der Bischof von Ermeland, der Fürstbischof von Breslau, die Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück, der apostolische Feldbischof, resp. Feldpropst in Österreich und Preußen, die Bischöfe von Metz und Straßburg und die fünf Bischöfe der Schweiz. – Im Prozeß bedeutet E. soviel wie eximierter und befreiter Gerichtsstand (s.d.). Staatsrechtliche wie völkerrechtliche Gründe können auch heutzutage zur Folge haben, daß gewisse Personen dauernd oder vorübergehend von der Herrschaft der Strafgesetze befreit (eximiert) werden. Aus staatsrechtlichen Gründen sind nach deutschem Recht befreit: 1) das Staatsoberhaupt, also der Kaiser, die Landesherren, der Regent (bestritten); 2) die Volksvertreter, und zwar die Mitglieder des deutschen Reichstages nach Art. 30 der Reichsverfassung und die Mitglieder eines Landtages oder einer Kammer eines Einzelsstaates nach § 11 des Staatsgesetzbuchs, indem sie außerhalb der Versammlung, zu der sie gehören, weder wegen ihrer Abstimmungen noch wegen der in Ausübung ihres Berufs getanen Äußerungen zur Verantwortung gezogen werden können. Aus völkerrechtlichen Gründen sind von der gesamten Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates befreit: 1) fremde Landesherren und Regenten, die Präsidenten fremder Republiken, der Papst; 2) fremde Truppenkörper auf inländischem Gebiet; 3) die Vorstände und Mitglieder beglaubigter Gesandtschaften, ihre Familienmitglieder und ihre Geschäftspersonale; ihre Bediensteten nur, sofern sie nicht Inländer sind (vgl. § 18–21 des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes); dagegen sind die im Deutschen Reich angestellten fremden Konsuln nur dann eximiert, wenn dies durch besondere Vereinbarung bestimmt ist; 4) die ausländischen Agenten, die in amtlicher Eigenschaft das Inland betreten (Fall Schnäbele).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 210.
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