Hildesheim [1]

[327] Hildesheim, ehemaliges deutsches Fürstentum, jetzt ein Teil des preußischen Regierungsbezirks gleichen Namens, 1784 qkm (32,4 QM.) groß, bis 1803 reichsunmittelbares Bistum, zerfiel in das kleine und große Stift. Der Bischof war Suffragan von Mainz, deutscher Reichsfürst und hatte auf dem Reichstag seinen Sitz zwischen den Bischöfen von Augsburg und Paderborn. Das Wappen des Hochstifts war ein von Gold und Rot die Länge herab geteilter Schild. Das Bistum, von Karl d. Gr. ursprünglich in Elze (Aulica) gegründet, wurde bereits 822 nach H. verlegt und blühte besonders unter dem gelehrten und kunstliebenden Bischof Bernward (s. d., 993–1022), während es unter Bischof Hermann (1162–1170) von Heinrich dem Löwen und unter Adelog (1171–90) von dem Erzbischof von Köln sowie 1189 von König Heinrich verwüstet wurde. Unter Hartbert (1199–1215) verlor das Stift 1206 nach langem Streite das Kloster Gandersheim, das, am Anfang des 11. Jahrh. erworben, fortan unmittelbar dem Papst unterstand, aber zur Reichsunmittelbarkeit gelangte es unter Konrad II. (1221–46). Die staatliche Unabhängigkeit des Bistums wuchs, seitdem die Bischöfe aus reichsfürstlichen Familien, meist der welfischen und sachsen-lauenburgischen, hervorgingen, aber in den fortwährenden Fehden, wodurch die Bischöfe nach Mehrung ihres weltlichen Besitzes strebten, erlangte die der Hansa zugehörige Stadt H. allmählich volle Selbständigkeit. Eine doppelte Besetzung des bischöflichen Stuhles 1331 verursachte lebhafte Kämpfe, aus denen Heinrich von Braunschweig, vom Kapitel gewählt, gegenüber dem päpstlichen Erich von Schaumburg 1344 als Sieger hervorging.

Unter Johann IV. (seit 1504), Herzog von Sachsen-Lauenburg, brach die sogen. Hildesheimer Stiftsfehde aus, da der Bischof durch Einlösung von Pfandschaften die Herren v. Saldern zum Kampfe reizte. Sie wurden mit ihren Verbündeten, den Herzogen Heinrich und Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel und Erich von Kalenberg, allerdings von den Bischöflichen mit Hilfe des Koadjutors Franz, Herzogs von Sachsen-Lauenburg, und der Grafen von Schaumburg und Lippe, Diepholz und Hoya 28. Juni 1519 bei Soltau geschlagen, aber da sich Johann dem nun erfolgenden kaiserlichen Schiedsspruch nicht fügte, verfiel er 1521 der Reichsacht, deren Vollziehung dem König Christian von Dänemark und den Herzogen von Braunschweig übertragen ward. Nachdem letztere fast das ganze Stiftsgebiet erobert hatten,[327] traten endlich das Kapitel und der Rat von Hildesheim 1523 im Vertrag von Quedlinburg den Herzogen ihre Eroberungen ab, und dem Stift verblieben von seinen sieben Grafschaften und 21 Schlössern nur Peine, Steuerwald und Marienburg. Nach vergeblichen Verhandlungen des Bischofs Burchard von Oberg wegen der Restitution des Stiftes und nach langen Streitigkeiten seines Nachfolgers Ernst II. (1573–1612), eines bayrischen Prinzen, erlangte endlich Ferdinand (1612–50), Prinz von Bayern und Erzbischof von Mainz, die Restitution des Stiftes und nahm durch seine Bevollmächtigten mit Hilfe Tillys 1629 und 1630 die meisten Gebiete wieder für das Stift in Besitz; 1643 gab Braunschweig nach und behielt bloß die Ämter Koldingen, Westerhof und Lutter am Barenberg als Stiftslehen. Dem Bischof Jobst Edmund wurde in Joseph Klemens, Herzog von Bayern, 1694 ein Koadjutor bestellt, der, nach des erstern Tode (1702) zum Bischof erwählt, infolge der über ihn verhängten Reichsacht erst 1714 den bischöflichen Stuhl bestieg. 1723 folgte Klemens August, Herzog von Bayern und Erzbischof von Köln, diesem nach zweijähriger Vakanz 1763 Friedrich Wilhelm von Westfalen, dessen Verordnungen ein Jahrhundert lang die Basis des Provinzialrechts und der Provinzialverfassung bildeten, und letzterm 1789 Franz Egon, Freiherr von Fürstenberg (gest. 1825). Nachdem das Stift durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Febr. 1803 an Preußen gefallen war, legte der Bischof die Regierung gegen eine Pension von 50,000 Tlr. nieder. 1806 kam H. an Frankreich, wurde 1807 mit dem Königreich Westfalen vereinigt, 1813 aber von Hannover in Besitz genommen, dem es auch nach der Wiener Schlußakte von 1815 verblieb, und mit dem es 1866 an Preußen fiel. Vgl. Literatur, S. 329.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 327-328.
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