Feuerspritze

[512] Feuerspritze (Löschmaschine; vgl. hierzu Tafel »Feuerspritzen« bei S. 505), eine transportable Druckpumpe zur Löschung von Schadenfeuern. Die F., eine Erfindung des Mechanikers Ktesibios (150 v. Chr.), durch Heron verbessert und mit dem Windkessel versehen, wurde im Römischen Reich allgemein benutzt, kam aber wieder in Vergessenheit. 1439 wird sie in Nürnberg erwähnt, 1440 kamen elf Feuerspritzen von Nürnberg nach Frankfurt, 1518 scheint sich der Augsburger Goldschmied Platner Verdienste um die F. erworben zu haben, 1655 wurde sie von dem Mechaniker und Rotgießer Hautsch in Nürnberg verbessert und dann von dem Holländer Jan van der Heyden in Amsterdam wieder mit dem Windkessel und mit Druckschläuchen versehen (etwa 1670). Seitdem hat diese Maschine noch vielfache Verbesserungen und Umgestaltungen erfahren. Das Werk befördert das Wasser aus dem Saugrohr G (Fig. 1), in das es aus dem Saugeschlauch oder dem Wasserkasten, je nach der Stellung des Saughahns, einströmt, in die untere Gurgelröhre F, die zu dem Saugventil A (in der Ventilkammer B, und B1 mit Bügel C zur Befestigung und leichten Entfernung des Deckels D) führt, und von dort bei hochgehendem Kolben in den Zylinder. Beim Kolbenniedergang schließt sich das Saugventil, und der Zylinderinhalt strömt durch das sich hebende Druckventil durch die obere Gurgelröhre E in den Druckstutzen H und von dort in die Schläuche. Der über H, bez. E befindliche Druckwindkessel verhindert das stoßweise Absetzen des Strahles beim Hubwechsel, der in der Figur nicht sichtbare Saugwindkessel versieht für die Saugleitung den gleichen Dienst.

Fig. 1. Werk einer Feuerspritze von Magirus; links im Durchschnitt.
Fig. 1. Werk einer Feuerspritze von Magirus; links im Durchschnitt.

Am Werk darf mit Ausnahme der Windkessel nichts gelötet sein. Am verbreitetsten sind die Handkraftspritzen, von denen man fahrbare, Trag- und Handspritzen unterscheidet. Auf den vierräderigen oder Wagenspritzen finden stets 4–6 Bedienungsmannschaften Platz. Die zweiräderigen Spritzen sind in der Regel Abprotzspritzen, d. h. die ganze Maschine samt dem Wasserkasten ist auf eine Art Schlitten montiert, der im Gebrauchsfalle von dem Karren, auf dem er transportiert wurde, herabgelassen (abgeprotzt) wird. Diese aus Frankreich stammenden Pompiersspritzen, besonders von Karl Metz in Heidelberg gebaut, wurden vielfach verwendet, weil sie durch Mannschaft transportiert werden können und früher nur allzuoft Bespannung für Feuerlöschgeräte fehlte; seitdem in letzterer Beziehung allenthalben bedeutend Verbesserung eingetreten ist, verschwinden auch die Abprotzspritzen mehr und mehr. Sollen dieselben durch Pferde befördert werden, so hängt man sie an einen Vorderwagen, auf dem 4–6 Mann der Bedienung Platz finden. Die Omnibusspritzen (Tafel, Fig. 1 u. 2) enthalten außer der Löschmaschine noch Leitern, Feuerhaken etc. für den ersten Angriff auf das Feuer und Platz für 10 und 12 Mann. Ost wird an die Spritze noch ein zweiräderiger Schlauchwagen zur Aufnahme von Reserveschläuchen, seltener eine Rädertiene von 150–300 Lit. Wasserinhalt angekoppelt. Meist bringen besondere Wasserwagen mit 1500–2000 Lit. Inhalt den nötigen Bedarf an Wasser. Diese Wasserkasten oder Wasserwagen sind entweder zylindrische oder auch kastenähnliche Kessel aus zusammengenietetem Eisenblech und ruhen auf einem vierräderigen Wagengestell. – Kleinere Spritzen sind die Kessel-, Kübel-, Krücken- und Buttenspritzen; sie besitzen in der Regel nur einen Zylinder und dienen zur Dämpfung von Zimmerbränden sowie auch zu allererstem Angriff[512] auf das Feuer. Bei Turmbränden finden stärker gebaute Trage- und Kesselspritzen in den obern Teilen der Türme deshalb ersprießliche Verwendung. Hydronetten sind die kleinsten Löschmaschinen, sie bestehen nur aus einem Rohr, an das ein Saugschlauch angeschraubt und in dem das Ventilwerk eingelassen ist. Durch Hin- und Herbewegen des Rohrs wird der Kolben in Tätigkeit gebracht, und das Wasser spritzt, weil kein Windkessel vorhanden ist, stoßweise aus. Die Annihilatoren (Feuervernichter) bestehen aus einem Blechkessel mit darin enthaltenem schräggestellten Pumpenmechanismus. Sie werden von einem Manne bedient, der mit der linken Hand das Pumpwerk in Bewegung setzt und mit der rechten Hand das Strahlrohr dirigiert. Ihre Wirksamkeit wird erhöht, wenn dem Löschwasser Chemikalien (Löschpulver etc.) beigefügt werden. Bei den Druckspritzen wird das Wasser in den Wasserkasten eingeschüttet, während die Saug- und Druckspritzen vermittelst angeschraubter Saugschläuche das Wasser unmittel bar einem außerhalb liegenden Bezugsorte (Bach, See, Weiher, Brunnenschacht etc.) entnehmen. Einige Arten dieser Sangspritzen haben überhaupt keinen Wasserkasten, sondern sind nur zu unmittelbarem Saugen mittels der Saugschlauche eingerichtet. Da diese Spritzen in der Regel dazu verwendet werden, andern Löschmaschinen Wasser zuzubringen, werden sie Hydrophore oder Zubringer genannt (s. Tafel »Feuerlöschgeräte«, Fig. 1).

Fig. 2. Dampffeuerspritze (Durchschnitt).
Fig. 2. Dampffeuerspritze (Durchschnitt).

Dampfspritzen, die namentlich in Amerika und England die Handspritzen fast gänzlich verdrängt haben, finden in Deutschland im allgemeinen zum ersten Angriff keine Verwendung. Eine der besten deutschen Konstruktionen ist die drei zylindrische Dampfspritze von Knaust in Wien (Ta sel »Feuerspritzen«, Fig. 3), die ohne geringste Erschütterung jedes Quantum von 100–2000 Lit. liefert. Das Hauptprinzip der Dampfspritzenkonstruktion liegt in dem Satze: möglichst große Heizfläche bei kleinstem Wasserraum. Um die Zeit zwischen Anheizen und Wassergeben abzukürzen, ist eine Vorrichtung, der Heizer, eingeführt worden, die das stete Zirkulieren des Kesselwassers über einer Flamme ermöglicht. Bis zur Ankunft auf der Brandstelle ist dann Dampf auf. Die zwei bis drei doppeltwirkenden Pumpen werden meist direkt von den Dampfzylindern getrieben. Die sonstige Anordnung ist aus Textfig. 2 zu ersehen, die den Schnitt durch eine Dampffeuerspritze von Fleur u. Komp. in Paris zeigt. A eiserner Rahmen, der mittels Federn von vier Rädern getragen wird und zur Ausstellung des Kessels und der Maschine dient. B Dampfkessel mit den in die Feuerbüchse C hineinragenden Fieldschen Röhren D (s. Tafel »Dampfkessel II«, 9), E Feuertür, F Rost, G Schornstein, H Standbrett für den Heizer, J Dampfzuführungsrohr mit der zur Dampftrocknung dienenden Kappe K, L einer der beiden Dampfzylinder im Querschnitt, M Schiebersteuerung, N Kolbenstange, in der Mitte mit der zum Betrieb der um 90° doppelt gekröpften Kurbelwelle O erforderlichen Kreuzschleife, an den En den mit dem Dampf- und Pumpenkolben versehen, P Abdampfrohr mit Blasrohr Q, R eine der beiden doppelt wirkenden Pumpen mit Saugventilen S und Druckventilen S., T Windkessel, U eins der beiden Druckrohre zum An schrauben der Schläuche (die Saugrohre sind in der Figur verdeckt), V Sitz für den Kutscher und einige Feuerwehrleute.

1888 lieferte die Daimler-Motorengesellschaft in Kannstatt einen vierpferdekräftigen Benzinmotor, der eine große Handkraftspritze in Bewegung setzte. 1893 konstruierte Magirus in Ulm eine Petroleummotorspritze, die sehr günstige Resultate lieferte, uno Grether u. Komp. in Freiburg i. Br. fertigen jetzt vollkommen leistungsfähige Benzinmotorspritzen (Tafel, Fig. 4). Bei elektrischen Spritzen erfolgt der Antrieb durch elektrischen St rom einer Starkstromleitung. Auf einem starken schmiedeeisernen Rahmen ruht der Transformator, geschützt durch ein Blechdach, und setzt, sobald er eingeschaltet wird, den Spritzenmechanismus in Bewegung. Eine solche Maschine kann selbstverständlich nur da verwendet werden, wo elektrische Anlagen vorhanden und für[513] entsprechende Anschlußstellen in den Straßen eines Ortes Sorge getragen ist. In neuester Zeit wurden jedoch auch elektrische Spritzen mit Akkumulatoren gebaut, die auch die Kraft zur Fortbewegung der F. liefern. 1864 konstruierte Charlier u. Vignon in Paris den Extinkteur, ein starkes zylindrisches Gefäß aus Eisenblech, in das man durch ein kurzes Ansatzrohr im obern Boden doppeltkohlensaures Natron und Wasser und nach dem Verschluß des Rohres Schwefelsäure einfüllt. Diese befindet sich in einem kleinen, im Extinkteur angebrachten Glaszylinder, den man von außen umstülpt, sobald der Apparat in Tätigkeit treten soll, und entwickelt aus dem doppeltkohlensauren Natron so viel Kohlensäuregas, daß ein Druck von 4–7 Atmosphären entsteht, der nach dem Öffnen eines Hahnrohrs am untern Teil des Zylinders einen Wasserstrahl 10–12 m weit treibt.

Fig. 3. Kohlensäurespritze von Ewald in Küstrin.
Fig. 3. Kohlensäurespritze von Ewald in Küstrin.

Die Wirkung dieses Strahles ist um so größer, als er nicht aus reinem Wasser, sondern aus einer kohlensäurereichen Salzlösung besteht, die viel energischer löscht als Wasser. Man konstruiert diese Apparate so, daß sie leicht auf dem Rücken getragen werden können, und gibt ihnen 10–35 Lit. Inhalt. Die größten werden in 6–8 Minuten entleert. Größere Extinkteure werden fahrbar konstruiert. Auf gleichem Grundsatze beruhen die Kohlensäurespritzen, bei denen jedoch die Kohlensäure in gußstählernen Flaschen in tropfbarflüssigem Zustande mitgeführt wird (Fig. 3). Die Spritze besteht aus einem aufrechtstehenden oder auch liegenden eisernen Kessel von 500–600 Lit. Wasserinhalt, der mit Manometer, Sicherheitsventil und einem Abflußhahn für die Kohlensäure versehen ist; letzterer dient auch als Überlaufhahn für den Kessel. Unten am Kessel ist der Ansatz für den Druckschlauch mit dem Strahlrohr. Sobald man den Kohlensäurebehälter mit dem Wasserraum in Verbindung bringt, wird das Wasser mit mächtigem Strahl ausgetrieben. Der Kohlensäuredruck läßt sich durch Niederschraubventile regeln. Als besonderer Vorteil erscheint bei diesen Spritzen, daß sie sofort in Tätigkeit kommen, und daß an dieselben mittels Schläuchen van den Hydranten weg Wasserleitungen mit schwachem Druck angeschlossen werden können, deren Druck dann bedeutende Erhöhung erhält. – Der Ball nozzle, eine amerikanische Erfindung, bezweckt die Erzeugung eines sogen. Sprühstrahls, der bei Getreide-, Heu- und andern solchen Bränden angewendet wird, wo es sich um rasche und gleichmäßige Durchnässung größerer Flächen handelt. Er besteht in einem auf das Strahlrohr aufgesetzten Trichter, in dem eine Hartgummikugel liegt, die durch einen Bügel am Davonfliegen verhindert ist. Bei Verwendung zerstäubt das Wasser an dieser Kugel (ball), und es bildet sich ein kräftiger Sprühregen. Vgl. Bach, Die Konstruktion der F. (Stuttg. 1883); Lenz, Das Spritzenmeisterexamen (Danz. 1891); Derselbe, Die Schule des Spritzenmannes (das. 1889); Gutsmuths u. Lenz, Spritzenrevisionen (das. 1891); Fried, Katechismus für die Spritzenmannschaft (Münch. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 512-514.
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