Franchi

[818] Franchi (spr. -ki), 1) Alessandro, Kardinalstaatssekretär, geb. 25. Juni 1819, gest. 1. Aug. 1878, ward im römischen Seminar erzogen, erlangte die Gunst des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini, ward von Pius IX. 1846 zum Kämmerer erhoben und 1848 an den Kaiser Ferdinand von Österreich geschickt, um diesen zur Abtretung seiner italienischen Länder zu bewegen, was ihm aber nicht gelang. 1853 wurde er zum interimistischen Geschäftsträger in Madrid, 1856 zum Erzbischof von Saloniki in partibus infidelium und zum Nunzius in Florenz ernannt, wo er einen hervorragenden Anteil an der Bekämpfung der Politik Cavours hatte. 1859 kehrte F. nach Rom zurück und ward Staatssekretär für die kirchlichen Angelegenheiten. 1868–69 war F. Nunzius in Madrid; 1871, als das Schisma in der armenischen Kirche ausbrach, ward er nach Konstantinopel gesendet, um den Sultan für den Vatikan zu gewinnen und dem infallibilistischen Patriarchen Hassun wieder zur allgemeinen Anerkennung zu verhelfen. Am 22. Dez. 1873 ward F. zum Kardinal ernannt und 1874 Präfekt der Propaganda. Nach Pius' IX. Tode beförderte er 20. Febr. 1878 die Wahl Leos XIII. und ward von diesem 4. März zum Staatssekretär ernannt. Im Gegensatz zu dem schroffen Auftreten Pius' IX. schlug er mit Zustimmung des Papstes eine gemäßigte Politik ein und hatte in Bayern und Preußen dadurch schon nicht unbedeutende Erfolge erzielt, als er wenige Monate später von einem plötzlichen Tod ereilt wurde.

2) Ausonio, ital. Philosoph, geb. 24. Febr. 1821 in Pegli bei Genua, gest. 12. Sept. 1895 zu Castelleto unweit Genua, mit seinem eigentlichen Namen Cristoforo Bonavino, widmete sich dem geistlichen Stande, legte jedoch das geistliche Kleid ab, um in den beiden Werken: »La religione del secolo XIX« (Genf 1853; neue Ausg., Mail. 1859) und »Il razionalismo del popolo« (Genf 1856; 3. Aufl., Mail. 1864) als der erste gegen die nationale scholastische und orthodoxe Philosophie Front zu machen. Sein Werk »La filosofia delle scuole italiane« (Capolago 1852, Flor. 1862; ein »Appendice« dazu, Genua 1853, Mail. 1866) polemisiert namentlich gegen Mamianis »Bekenntnisse eines Metaphysikers«. F. begründete damals auch ein Journal: »La Ragione« (Turin 1854--57, 7 Bde.), in dem er mit gleichem Freimut vorging. Auch griff er die Versuche Rosminis und Giobertis zu einer Versöhnung zwischen Orthodoxie und Philosophie an. Trotz seiner scharfen Polemik gegen die orthodoxe Philosophie übertrug ihm die neue italienische Regierung 1860 die Professur der Philosophie der Geschichte an der Akademie zu Pavia und später (1863) an der Accademia scientifico-letteraria zu Mailand. In dieser Stellung veröffentlichte F. die »Letture su la storia della filosofia moderna« (Mail. 1863, 2 Bde.). In dem spätern Werk: »Su la teorica del giudizio« (Mail. 1870, 2 Bde.) versuchte er die Natur der »a priori synthetischen Urteile« Kants zu begründen. Weiter erschienen: »Saggi di critica e polemica« (Mail. 1870–72, 3 Bde.) und »Ultima critica« (das. 1890–93, 3 Bde.), in welch letztern Schrift er seine frühern philosophischen Ansichten verwarf.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 818.
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