Genée

[548] Genée (spr. schönē'), 1) Richard, Komponist, geb. 7. Febr. 1823 in Danzig, gest. 15. Juni 1895 in Baden bei Wien, studierte Musik in Berlin und ging[548] dann (1848) als Musikdirektor zur Bühne über, in welcher Eigenschaft er in Reval, Riga, Köln, Düsseldorf, Aachen, Danzig, Mainz, Prag und 1868–78 am Theater an der Wien zu Wien fungierte. Seit 1878 lebte G. in Preßbaum bei Wien ganz der Komposition und literarischen Arbeiten. G. dichtete sich aber nicht nur zu den meisten seiner Opern und Operetten seinen Text selbst (z. T. mit F. Zell), sondern schrieb auch Texte für J. Strauß, Suppé und Millöcker. Sein Erstlingswerk war die vieraktige komische Oper »Polyphem« (Elbing 1855). Bekannter wurde die dreiaktige »Der Geiger aus Tirol« (Danz. 1857). Doch hatte er seine Haupterfolge mit Operetten seit seiner Anstellung in Wien: »Der Seekadett« (1876), »Nanon, die Wirtin vom Goldenen Lamm« (1877), »Nisida« (1880), »Rosina« (1881), »Die Dreizehn« (1887), »Freund Felix« (1893) u. a. sowie zahlreiche Lieder und humoristische Männerchöre, welch letztere sich in Liedertafelkreisen großer Beliebtheit erfreuen.

2) Rudolf, Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 12. Dez. 1824 in Berlin, betrieb zuerst unter Gubitz' Leitung die Holzschneidekunst, widmete sich dann der Literatur und lebte als Journalist in seiner Vaterstadt. Nachdem er später einige Jahre Redakteur der »Koburger Zeitung« gewesen, ließ er sich 1865 in Dresden nieder, kehrte aber 1879 nach Berlin zurück, wo er als Dozent am Viktoria-Lyzeum einen Wirkungskreis gewann. Als Theaterdichter veröffentlichte er außer einigen satirischen Possen die Lustspiele: »Das Wunder« (Berl. 1854), »Ein neuer Timon« (im »Jahrbuch deutscher Bühnenspiele«, 1856), »Lustspiele« (Berl. 1855), »Vor den Kanonen« (1857), das Schauspiel »Die Klausnerin« (Berl. 1884) u. a., bearbeitete Sheridans »Lästerschule« u. d. T.: »Schleicher und Genossen« (das. 1875) und Heinrich v. Kleists »Hermannsschlacht« (das. 1872). Von seinen »Gesammelten Komödien« erschien der erste Band Berl. 1879. Genées wichtigste Arbeiten galten der Geschichte des Dramas und Theaters. Dahin gehören: »Geschichte der Shakespeareschen Dramen in Deutschland« (Leipz. 1868); »Shakespeares Leben und Werke« (Hildburgh. 1871); »Das deutsche Theater und die Reformfrage« (Berl. 1878); »Die englischen Mirakelspiele und Moralitäten« (das. 1878); »Lehr- und Wanderjahre des deutschen Schauspiels« (das. 1882); »Hundert Jahre des königlichen Schauspiels in Berlin, 1786–1886« (das. 1886); »Die Entwickelung des szenischen Theaters und die Bühnenreform in München« (Stuttg. 1889); »Hans Sachs und seine Zeit« (Leipz. 1894, 2. Aufl. 1902); »Ifflands Berliner Theaterleitung 1796–1814« (Berl. 1896); »A. W. Schlegel und Shakespeare« (das. 1903). Ferner verfaßte er einen historischen Roman: »Marienburg« (Berl. 1884, 2. Aufl. 1886), »Deutsche Sturmlieder« (Dresd. 1870) und die »Bismarckiade fürs deutsche Volk« (Berl. 1891). Er besorgte außerdem eine Ausgabe von H. v. Kleists Werken (Berl. 1902, mit Biographie) und die 4. Auflage von Gervinus' »Shakespeare« (Leipz. 1873). Sein Leben beschrieb er in »Zeiten und Menschen. Erlebnisse und Meinungen« (Berl. 1897).

3) Ottilie, Schauspielerin, Schwester der vorigen, geb. 4. Aug. 1834 in Dresden, spielte längere Zeit am Nesmüllerschen Theater daselbst jugendliche Rollen, war seit Anfang der 60er Jahre als Soubrette beliebtes Mitglied der Krollschen Bühne in Berlin, bis sie 1866 nach Amerika ging, wo sie auf zahlreichen Bühnen mit Erfolg auftrat, auch zeitweise als Direktrice fungierte. Infolge ihrer Vermählung mit Charles Fritzsch zog sie sich vom Theater zurück, um die Leitung eines Erziehungsinstituts in San Francisco zu übernehmen, bis sie sich 1878 von neuem der Bühnendirektion zuwandte. Nach ihrer Rückkehr (1884) trat sie noch einigemal auf deutschen Bühnen auf, lebt jetzt als dramatische Lehrerin in Berlin und veröffentlichte »Aus meiner Vortragsmappe, deklamatorisches Potpourri etc.« (2. Aufl., Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 548-549.
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