Gerstenberg

[664] Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von, Dichter und Kritiker, geb. 3. Jan. 1737 zu Tondern in Schleswig, gest. 1. Nov. 1823 in Altona, besuchte die Schule in Altona, studierte in Jena die Rechte und trat hierauf in dänische Kriegsdienste. Während des Feldzugs gegen die Russen (1763) avancierte er bis zum Rittmeister, dann lebte er eine Zeitlang in Kopenhagen, wo er mit Klopstock in freundschaftliche Verbindung trat. 1766 nahm er seine Entlassung, kam 1768 in die deutsche Kanzlei und wurde 1775 dänischer Resident und Konsul in Lübeck. 1783 zog er sich nach Entin zurück, ward 1785 als Justizdirektor des königlichen Lottos nach Altona berufen und 1812 pensioniert. Seine literarische Laufbahn begann G. mit den »Tändeleien« (Leipz. 1759 u. ö.), im Stil der Hallischen Anakreontiker. Ihnen folgten unter andern die »Kriegslieder eines dänischen Grenadiers« (Altona 1762), das »Gedicht eines Skalden« (Kopenh. 1766), der erste Versuch zur Wiederbelebung der nordischen Mythologie in der deutschen Dichtung, der auch für Klopstock von entscheidendem Einfluß wurde, »Die Braut« (das. 1765), eine Übersetzung der Jungferntragödie von Beaumont und Fletcher, und die Kantate »Ariadne auf Naxos« (das. 1767). Seine »Briefe über Merkwürdigkeiten der Literatur« (Schlesw. 1766 bis 1770; neue Ausg. von A. v. Weilen, Heilbronn 1888) sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil G. hier als begeisterter Verehrer Shakespeares auftrat und dadurch die dramatischen Theorien der Sturm- und Drangperiode vorbereiten half. Am bekanntesten machte ihn sein Trauerspiel »Ugolino« (Hamb. 1768); hier behandelt er mit unleugbarer Virtuosität einen grausigen Stoff (s. Gherardesca), welcher der dramatischen Darstellung scheinbar widerstrebt. Weit schwacher ist sein Melodrama »Minona« (Hamb. 1785). Eine Sammlung seiner »Vermischten Schriften« erschien in 3 Bänden (Altona 1815); eine Auswahl seiner Werke gab Hamel in Kürschners »Deutscher [664] Nationalliteratur« (Bd. 48), seine »Rezensionen in der Hamburgischen neuen Zeitung 1767–1771« O. Fischer (Berl. 1904) heraus. Vgl. M. Jacobs, Gerstenbergs;Ugolino' (Berl. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 664-665.
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