Granvelle

[231] Granvelle (spr. grangwéll', Granvella), 1) Nicolas Perenot, Herr von, geb. 1484 zu Ornans in der Nähe von Besançon, gest. 27. Aug. 1550 in Augsburg. Ein praktisch geübter Jurist, folgte er 1519 seinem Lehrer Mercurino Gattinara, als dieser in den Staatsdienst der Niederlande eintrat. Der Herzogin Margarete, der Tante Karls V. und Statthalterin der Niederlande, diente er als Sekretär und zeichnete sich aus bei der Redaktion des Vertrags von Madrid (1526); nach des Kanzlers Gattinara Tod 1530 trat G. in dessen einflußreiche Stelle ein. Er war einer der Staatssekretäre des Kaisers und Siegelbewahrer von Neapel und Sizilien; das Hauptfeld seiner Tätigkeit aber war Deutschland. Bei allen Regierungsmaßregeln von 1530–50 war er beteiligt; ein Diplomat ersten Ranges, hatte er an den Erfolgen Karls V. 1547 und 1548 große Verdienste.

2) Antoine Perenot de, ältester Sohn des vorigen, geb. 20. Aug. 1517 in Besançon, gest. 21. Sept. 1586 in Madrid, studierte in Padua unter Bembo (s. d.) die Rechte, in Löwen Theologie und wurde dann von seinem Vater in den politischen Geschäftskreis eingeführt. In seinem 23. Jahr zum Bischof von Arras ernannt, wohnte er den Reichstagen zu Worms und Regensburg bei, hielt bei der Eröffnung des Tridentiner Konzils eine elegante Rede und diente 1545–50 bei vielen Gelegenheiten dem Kaiser als Unterhändler unter der Leitung seines Vaters. Er erwarb sich dabei geschäftliche Gewandtheit und Kenntnis der europäischen Politik. So wurde er 1550 an seines Vaters Stelle Staatssekretär des Kaisers. Als solcher[231] hatte er nicht das Glück seines Vaters, wohl auch nicht seine Sicherheit und seinen Takt. Als die Regierung von Karl V. auf Philipp II. überging, blieb G. im Staatsrat des spanischen Königs; doch war er nur der tonangebende Leiter der spanischen Politik in den Niederlanden. Er führte die Verhandlungen zwischen Spanien und Frankreich, die 1559 zum Frieden von Cateau-Cambrésis führten. In demselben Jahr trat er der Statthalterin der Niederlande, Margarete von Parma, als Minister zur Seite und ward vom König zum Erzbischof von Mecheln, vom Papst Pius IV. zum Kardinal ernannt. Doch wurde er als Fremdling bald der Gegenstand des Hasses der Niederländer, die ihm alle strengen Maßregeln zur Last legten. Die steigende Opposition der Niederländer gegen G. und eine persönliche Verstimmung der Statthalterin Margarete bewogen den König, 1564 ihn aus den Niederlanden abzuberufen. G. begab sich nach Besançon, lebte hier seinen Studien und verkehrte mit Gelehrten und Künstlern; Ende 1565 schickte ihn Philipp nach Rom, um in der unmittelbaren Umgebung des Papstes die Interessen Spaniens zu vertreten. Von Rom ging G. kurze Zeit als Vizekönig nach Neapel und wurde endlich 1579 mit dem Titel eines Präsidenten des höchsten Rats von Italien nach Madrid in den Staatsrat berufen. Er verhandelte noch über die Vereinigung Portugals mit Spanien (1580) und brachte die Verbindung der Infantin Katharina mit dem Herzog von Savoyen zustande (1584). Der größte Teil seiner Briefe und Memoiren bis 1565 ist herausgegeben von Weiß: »Papiers d'État du cardinal de G.« (Par. 1842–61, 9 Bde.); eine Fortsetzung gaben E. Poullet und Piot heraus (»Correspondance du cardinal G. 1565–1586«, Brüssel 1878–97, 12 Bde.); vgl. Philippson, Ein Ministerium unter Philipp II. Kardinal G. am spanischen Hof (Berl. 1895). – Von seinen Brüdern war der ältere, Thomas Perenot, Graf von Chante-Croix, geb. 1521, spanischer Gesandter in Paris und Wien und starb 1571; der andre, Friedrich Perenot, Herr von Champagney, geb. 1536, wurde 1571 Gouverneur von Antwerpen, 1578–84 wegen Begünstigung des niederländischen Aufstandes in Hast gehalten, starb 1600.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 231-232.
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