Guillotīne

[506] Guillotīne (spr. gi[l]jo-), die während der Revolution in Frankreich 1792 vom Konvent eingeführte, nach ihrem angeblichen Erfinder, dem Pariser Arzt Joseph Ignace Guillotin (s. d.), benannte Köpfmaschine, die noch gegenwärtig in Frankreich und mehreren andern Staaten in Gebrauch ist und den Vorzug hat, dem Verurteilten einen raschen, sichern und möglichst schmerzlosen Tod zu bringen. Sie besteht aus zwei oben mit einem Querholz verbundenen Säulen, zwischen denen ein schweres, scharfes und schräg liegendes Eisen in Falzen herabgleitet und so den in dem Ausschnitt eines beweglichen Brettes, auf das der Verurteilte festgebunden wird, ruhenden Kopf unfehlbar vom Hals trennt. Schon die Römer sollen ein ähnliches Werkzeug gekannt haben, sowie man sich eines solchen auch längst unter dem Namen Mannaja in Italien zur Hinrichtung der Adligen bediente. Die welsche Falle diente in Neapel zur Hinrichtung Konradins von Schwaben. Im 13. Jahrh. kannte man ähnliche Maschinen in Böhmen, die im 14. Jahrh. auch in Deutschland unter den Namen Diele, Dolabra oder Hobel Anwendung fanden. Ein Kupferstich [506] Aldegrevers zeigt bereits die G. der französischen Form. Die Engländer benutzten im 17. Jahrh. eine Köpfmaschine, the gibbet (schott. the maid, »die Jungfer«). Guillotin stellte als Mitglied der Konstituierenden Versammlung 1789 einen die Todesstrafe und ihre Ausführung betreffenden Antrag, der auch angenommen wurde. Doch erst Mitte 1792 entschied man sich auf Antrag des Deputierten Félix Lepelletier für das Köpfen und auf den Bericht des Sekretärs der Wundärzte, Ant. Louis, für einen der englischen Köpfmaschine ähnlichen Mechanismus. Die Maschine, von einem deutschen Mechaniker Schmitt ausgeführt, wurde auf dem Grèveplatz errichtet und die erste Hinrichtung 27. Mai 1792 an dem Straßenräuber Pelletier vollzogen. Anfangs nach dem eigentlichen Urheber Louisette oder petite Louison benannt, erhielt sie bald mit Bezug auf den ersten Antragsteller den Namen G. Die Hinrichtung von 62 Verurteilten mittels der G. nahm nur 45 Minuten in Anspruch. Obwohl aus Humanitätsrücksichten eingeführt, erweckte die Erinnerung an die Schreckensherrschaft Vorurteile gegen die Anwendung der G., so daß sie erst in neuerer Zeit wesentlich verbessert, als Fallschwert oder Fallbeil (zuerst in Sachsen 1853) wieder in Aufnahme kam. Das deutsche Strafgesetzbuch bestimmt nur, daß die Todesstrafe mittels Enthauptung zu vollziehen sei, und überläßt es den Regierungen der Einzelstaaten, ob sie dabei das Beil oder die G. zur Anwendung bringen wollen. Als trockene G. bezeichnet man in Frankreich spottweise die Deportation von Verurteilten nach Cayenne oder andern gesundheitsgefährlichen Gegenden, weil auch dort meistens schnell und sicher der Tod eintritt. Vgl. Sédillot, Réflexions historiques et physiologiques sur le supplice de la g. (Par. 1795); Chereau, Guillotin et la g. (das. 1871); Lenôtre, La g. et les exécuteurs des arrêts criminels pendant la Révolution (2. Aufl., das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 506-507.
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