Höhenkultus

[444] Höhenkultus (Höhendienst, Bergkultus), die bei Naturvölkern weitverbreitete Verehrung hoher und besonders isolierter Bergkegel, die man als die Sitze der Götter und Dämonen ansah, und auf denen man sich ihnen näher glaubte. Schon aus den indischen Mythen tritt uns der Götterberg Meru entgegen, der als Sitz Indras und der Seligen galt (s. Glasberg). Die Perser hatten viele heilige Berge, die der Bundehesch aufzählt, darunter auch schon Hexenberge. Auf dem Sinai empfing Moses die Gesetzestafeln; die Samariter opfern noch heute auf dem Garizim bei Sichem, und der Salomonische Tempel wurde auf dem Berge Moria bei Jerusalem an Stelle einer uralten Kultstätte errichtet. Rohe Steinaltäre aus unbehauenen, vom Eisen unberührten Blöcken bezeichneten diese uralten Bergkultstätten Palästinas. Bei den Griechen waren vor allem Olymp und Parnaß als Throne des Zeus und Apollon, der Helikon als Sitz der Musen gefeiert. Daneben erwies man den Vulkanen, in denen die Feuergötter und Kyklopen wohnend gedacht wurden, Verehrung, nicht bloß auf Lemnos und Sizilien, sondern auch in Japan am Fusijama sowie an mehreren Vulkanen der Anden und auf Hawai. Noch andre Berge wurden als Wohnorte von Heiligen und Propheten, resp. als Schauplätze ihrer Wundertaten verehrt und besucht, wie der Adamspik auf Ceylon und der dem Elias geheiligte Berg Karmel, und man zeigt daselbst Spuren ihres Daseins in Fußabdrücken, Versteinerungen etc. Spätere Kulte haben oftmals solche heilige Berge der Vorzeit durch Kirchen- und Klosterbauten in Wallfahrtsberge umgewandelt, von denen der Berg Sinai und der Berg Karmel von Juden, Christen und Mohammedanern besucht werden, der Adamspik (s. d.) außerdem noch von Bekennern des Brahma und Buddha. Hierher gehören auch die unzähligen St. Georgs-, Michaels- und Walpurgisberge Deutschlands und der Nachbarländer. Anderseits wurden solche heilige Berge der Vorzeit von den Christen oft in den Bann getan und als Sitze von Teufelskult, Hexendienst, Dämonenwesen etc. in Verruf gebracht, wie der Pilatus in der Schweiz, Brocken, Zobten u. a.; die Kraterberge galten dem christlichen Mittelalter als Eingangspforten zur Hölle. Auch wurden einzelne als Wohnsitze alter Götter und verzauberter Helden, deren Wiederkunft man erwartete, betrachtet, wie der Hörselberg bei Eisenach und der Kyffhäuser bei Nordhausen (s. Bergentrückung). Vgl. F. v. Andrian, Der H. asiatischer und europäischer Völker (Wien 1891); R. Beer, Heilige Höhen der alten Griechen und Römer (das. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 444.
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