Nordhausen [1]

[758] Nordhausen, Stadt (Stadtkreis) im preuß. Reg. – Bez. Erfurt, an der Zorge, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien N.-Erfurt, Blankenheim-N. und Ottbergen-N. sowie der Eisenbahn N.-Wernigerode, 182 m ü. M., liegt teils in der Ebene (Unterstadt), teils am Abhang eines Berges (Oberstadt), hat 7 evang. Kirchen (darunter die Blasiuskirche mit Gemälden von Lukas Cranach), einen kath. Dom, eine Synagoge, ein altertümliches Rathaus mit einem hölzernen Rolandstandbild, ein Reiterstandbild des Kaisers Friedrich III., ein Bismarckdenkmal, einen Lutherbrunnen mit dem Erzstandbilde Luthers auf dem Markt, einen schönen Brunnen (von Rietschel) auf dem Kornmarkt u. (1905) 29,882 Einwohner, davon 1454 Katholiken und 453 Juden. N. hat berühmte Branntweinbrennerei (70 Etablissements mit einer jährlichen Produktion von ca. 500,000 hl), 10 Bierbrauereien, große Tabak- und Zigarrenfabriken (16 Fabriken), eine große Tapetenfabrik, mechanische Weberei, eine chemische Fabrik, Fabrikation von Zichorien, Fleischwaren, Maschinen, Metallwaren, Malz, Parkettfußböden, Spiritus, Schwefelsäure, Leder, Marmorwaren, Mostrich etc., Ziegelbrennerei und ein Elektrizitätswerk. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1905: 415,5 Mill. Mk.), ist besonders bedeutend in Getreide, Kolonialwaren und Landesprodukten, baumwollenen Waren, leinenem Garn etc. N. hat ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Erziehungsanstalt für schwachbefähigte Kinder, eine Handelsschule für Mädchen, ein Waisenhaus, ein städtisches Museum und ist Sitz eines Landgerichts, eines Landratsamts (für den Kreis Grafschaft Hohnstein), einer Spezialkommission, eines Bergreviers und eines Hauptsteueramts.

Wappen von Nordhausen.
Wappen von Nordhausen.

Die städtischen Behörden zählen 10 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete. In der Nähe liegt das hübsche Lustwäldchen »Gehege«. Zum Landgerichtsbezirk N. gehören die 14 Amtsgerichte in Artern, Bleicherode, Dingelstedt, Ellrich, Großbodungen, Heiligenstadt, Heringen, Ilfeld, Kelbra, N., Roßla, Sangerhausen, Stolberg a. H. und Worbis. – N. wird zuerst 874 als Kaiserpfalz[758] genannt; Mathilde, die Gemahlin Kaiser Heinrichs I., stiftete hier 962 ein Nonnenkloster, das Friedrich II. 1220 in ein weltliches Mönchsstift verwandelte. Die Stadt, 1180 von Heinrich dem Löwen zerstört, aber bald wiederhergestellt, kam 1220 aus Reich und erhielt 1253 die Freiheiten einer Reichsstadt. Die Reichsvogtei gehörte anfangs den Grafen von Hohenstein und kam nach deren Aussterben an Kursachsen. Brandenburg erwarb sie 1702 nebst dem Schultheißenamt durch Kauf, überließ beide jedoch 1715 an die Stadt. 1522 nahm N. die Reformation an und trat dem Schmalkaldischen Bund bei. 1803 verlor sie ihre Selbständigkeit und fiel an Preußen, 1807 an das Königreich Westfalen, 1815 wieder an Preußen. Eine Kirchenversammlung erklärte sich 1105 in Gegenwart Heinrichs V. gegen die Priesterehe; Reichstage wurden 1207 und 1223 hier abgehalten. Vgl. Förstemann, Urkundliche Geschichte der Stadt N. bis 1250 (Nordhaus. 1828–40, 2 Hefte) und Kleine Schriften zur Geschichte der Stadt N. (das. 1855); Lesser, Historische Nachrichten von N. (umgearbeitet von Förstemann, das. 1860); Schmidt, Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt N. (Halle 1887); Eckart, Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt N. (Leipz. 1895); Heineck, Brandenburg-Preußen und N. (Nordhaus. 1902); Heine, N. und Preußen (das. 1902); Schröter, Die Steuern der Stadt N. historisch dargestellt (Jena 1904); Lokalführer für N. und Umgebung von Girschner (3. Aufl. 1891), Lemcke (2. Aufl. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 758-759.
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