Index librŏrum prohibitōrum

[789] Index librŏrum prohibitōrum (lat., »Verzeichnis der verbotenen Bücher«) heißen die Verzeichnisse derjenigen Bücher, die zu lesen den Anhängern der katholischen Kirche verboten ist, wohl zu unterscheiden von Index librorum expurgandorum oder Index expurgatorius. wie die Verzeichnisse derjenigen Bücher heißen, die (in den vorhandenen Exemplaren und in neuen Ausgaben) von den einzeln angegebenen anstößigen Stellen gereinigt werden sollen. Vereinzelte Bücherverbote kommen schon in der alten Kirche und im Mittelalter vor; umfangreichere Verzeichnisse verbotener Bücher wurden aber erst nach der Reformation veröffentlicht, zuerst von Karl V. in Belgien 1524–40 und von Heinrich VIII. in England 1526 ff., dann im Auftrag oder mit Genehmigung der Regierung von den theologischen Fakultäten (und der Universität) zu Löwen (1546, 1550, 1558) und Paris (1544, 1547, 1551, 1556), von Inquisitoren in Venedig (1549, 1554) und Mailand (1554). Der erste römische Index (insofern überhaupt der erste Index, als die frühern Verzeichnisse Catalogi heißen) wurde unter Papst Paul IV. 1559 von der römischen Inquisition veröffentlicht. Er enthielt drei alphabetisch gegeordnete Klassen: in der ersten stehen die Namen derjenigen Schriftsteller, deren sämtliche Schriften verboten werden, in der zweiten einzelne mit dem Namen ihrer Verfasser erschienene, in der dritten anonyme Schriften; schließlich wird eine große Zahl von Bibelausgaben verboten sowie der ganze Verlag von 61 namentlich verzeichneten und von allen andern Buchdruckern, die ketzerische Bücher gedruckt hatten oder drucken würden (dieses letzte Verbot steht nur in diesem Index). Dieser, von einem Ausschuß des Trienter Konzils überarbeitete und mit zehn allgemeinen Regeln vermehrte Index wurde nach Schluß des Konzils 1564 von Pius IV. veröffentlicht. Die Fortführung des Index übertrug Pius V. 1571 der neu errichteten Indexkongregation. Eine vermehrte Ausgabe wurde von Sixtus V. 1590 veröffentlicht, aber gleich nach seinem Tod unterdrückt. Unter Clemens VIII. erschien 1596 eine Ausgabe des Trienter Index, in der jeder der drei Klassen Appendixe beigefügt sind. Seitdem sind noch etwa 40 Ausgaben des römischen Index erschienen; in jede derselben wurden die mittlerweile neu verbotenen Bücher eingereiht. Die wichtigsten sind die von Alexander VII. von 1664, in der die drei Klassen in Ein Alphabet vereinigt wurden (die erste Klasse ist übrigens nach Clemens VIII. nicht mehr vermehrt worden), und die von Benedikt XIV. von 1758, in der zahllose Fehler der frühern Ausgaben verbessert und neue allgemeine Verordnungen über das Bücherwesen beigefügt wurden. Durch die Konstitution Officiorum ac munerum vom 24. Jan. 1897 hat Leo XIII. ein neues Recht geschaffen, indem er alle frühern Bestimmungen mit Ausnahme der Konstitution Benedikts XIV. von 1758 außer Geltung setzte. In dem auf Grund dieser Konstitution neu hergestellten Index (Rom 1900) sind erhebliche Kürzungen vorgenommen, insbes. alle vor 1600 verurteilten Bücher gestrichen worden. Auch Goethe, Freiligrath u. a. stehen nicht mehr im Verzeichnis. Dafür bleiben nach Artikel 2 der Konstitution die Bücher der Apostaten, Häretiker, Schismatiker und aller Schriftsteller, welche die Häresie oder das Schisma verteidigen oder die Grundlagen der Religion selbst irgendwie untergraben, ganz allgemein verboten Von 1890–1900 sind 82 Autoren mit 131 Schriften (darunter 60 italienische, 47 französische, 16 spanische und portugiesische, 4 englische, 4 deutsche) auf den Index gekommen. Die letzten Dekrete trafen die Schriften des Abbé Loisy (16. Dez. 1903), den Roman »Franz von Assisi« von Ciro Alvi, sowie die reformerischen Schriften von A. Hontin (»L'Américanisme:«) und A. Vo grinec (»Nostra maxima culpa«; 3. Juni 1904). Die spanischen Indexe sind von den römischen zu unterscheiden. Sie wurden unabhängig von der Indexkongregation von der spanischen Inquisition veröffentlicht, enthalten mit verhältnismäßig wenig Ausnahmen auch die römischen Bücherverbote, aber auch viele andre und sind von 1584 an alle zugleich Indices prohibitorii und expurgatorii. Der erste wurde 1551 von dem Generalinquisitor Valdes veröffentlicht; der bekannteste ist der von dem Generalinquisitor Sotomayor 1640 herausgegebene. Vgl. I. Mendham, The literary policy of the Church of Rome exhibited in an account of her damnatory catalogues and indexes (2. Aufl., Lond. 1830); Petzholdt, Bibliotheca bibliographica, S. 133 ff. (Leipz. 1866); Reusch, Der Index der verbotenen Bücher (Bonn 1883–85, 2 Bde.) und Die Indices librorum prohibitorum des 16. Jahrhunderts (Stuttg. 1886, Literarischer Verein); Hollweck, Das kirchliche Bücherverbot; Kommentar zur Konstitution Leos XIII. (2. Aufl., Mainz 1897); Phil. Schneider, Die neuen Büchergesetze der Kirche (das. 1900); Hilgers, Der Index der verbotenen Bücher, in seiner neuen Fassung dargelegt etc. (Freiburg 1904).[789]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 789-790.
Lizenz:
Faksimiles:
789 | 790
Kategorien: