Koloß

[305] Koloß (lat. colossus), Bildsäule von mehr als Lebensgröße. Im Altertum beherrschte der Sinn für kolossale Verhältnisse die Kunst durchaus; in Ägypten und Assyrien schufen Architektur und Bildhauerei mit Vorliebe in den mächtigsten Dimensionen, und auch die griechische Kunst proklamierte den Grundsatz, daß nur das Große schön sei (Aristoteles). Besonders für Tempelbilder von Göttern und Heroen, die man sich in übermenschlicher Größe vorstellte, war Kolossalität Bedingung. Die Zahl der literarisch bekannten Kolossalbilder aus griechischer Zeit ist außerordentlich groß. Der höchste K. war die Erzstatue des Sonnengottes (K. von Rhodos) von Chares in Rhodos (s. d.), die 70 Ellen hoch war (vgl. Lüders, Der K. von Rhodos, Hamb. 1865). Nach ihm kam das eherne Zeusbild des Lysippos (49 Ellen hoch) in Tarent. Berühmt war auch desselben Meisters K. des Herakles, ebenfalls in Tarent, vor allem aber der Zeus des Pheidias in Olympia und dessen Athene Parthenos in Athen. Einen 30 Ellen hohen Apollonkoloß brachte Lucullus aus Apollonia in Pontus nach Rom. Nero stellte seine eigne Kolossalstatue, von Zenodoros gefertigt, vor seinem Palast auf. Vespasian versetzte sie nach der Via sacra, neben das Kolosseum, und Commodus ließ der Statue den Kopf abnehmen und seinen eignen dafür aufsetzen. In der Plastik des Mittelalters fast gar nicht vorkommend, wurden solche Kolossalstatuen erst wieder in der Renaissancezeit und namentlich in der Kunst der Neuzeit geschaffen, z. B. die Statue des Carlo Borromeo bei Arona von 1697 (Erz und Kupfer), die Bavaria bei München (Bronze), die Herkulesstatue auf Wilhelmshöhe bei Kassel (Kupfer), das Hermannsdenkmal bei Detmold (getriebenes Kupfer, s. Bandel), die Statue der Freiheitsgöttin von Bartholdi am Eingang des Hafens von New York, Schillings Germania (s. d.) des Nationaldenkmals auf dem Niederwald (Bronze) etc. Vgl. Lesbazeilles, Les colosses anciens et modernes (Par. 1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 305.
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