Laubfall

[233] Laubfall, bei denjenigen Holzgewächsen, die alljährlich ihr Laub erneuern, das am Ende der Vegetationsperiode eintretende Abfallen sämtlicher grüner Blätter. Der L. kommt sowohl bei den Laubhölzern der gemäßigten und kalten Zone als in tropischen und subtropischen Gebieten vor, in denen die Niederschläge mehrere Monate hindurch ausbleiben und die Bäume während der trocknen Jahreszeit entblättert dastehen. Nur in Gegenden, wo Feuchtigkeit und Wärme über das ganze Jahr gleichmäßig verteilt sind, erfolgt auch der L. ganz allmählich, indem die ältern Blätter der tiefer stehenden Sproßteile nach und nach absterben. Die wesentlichste, den L. bedingende Ursache besteht in der Herabsetzung der Transpiration, die sowohl durch den Eintritt von Trockenheit als von Kälte herbeigeführt wird. Beide Faktoren beschränken die Aufnahme des Wassers durch die Wurzeln, so daß der durch die Transpiration der Blätter verursachte Wasserverlust nicht mehr ersetzt werden kann. Kühlt sich daher der Boden, wie z. B. in hohen Gebirgslagen im Vergleich zu den Tälern, stärker ab, so tritt bei ein und derselben Baumart die Entlaubung auf den Bergen bisweilen fast um einen Monat früher ein als in den tiefer gelegenen Gegenden. Aus ähnlichen Gründen behalten Holzpflanzen, die nördlich von den Alpen ihr Laub im Herbst abwerfen, dasselbe im Süden auch während des Winters; manche Arten, wie Flieder, Platane, Edelkastanie u.a., können sich aus sommergrünen Gewächsen in immergrüne verwandeln. Dem L. geht eine Stoffentleerung der Blattzellen voraus, bei der die in denselben vorhandenen Bildungsstoffe, wie Stärkemehl, Fett, Eiweißstoffe, auswandern und in die Stammteile übertreten; hiermit ist auch eine eigentümliche Zersetzung des grünen Chlorophyllfarbstoffes verbunden, die sich äußerlich in der Gelb- oder Rotfärbung der Blätter (durch Xanthophyll, Erythrophyll u.a.) kundgibt (s. Laubfärbung, herbstliche). Die Abgliederung an der Basis des Blattes wird stets dadurch bewirkt, das schon vorher in einer dünnen Querzone (Trennungsschicht) tafelförmige Zellen auftreten, die zur Zeit des Laubfalles locker werden und dadurch den Bruch des Blattstiels oder die Abgliederung der einzelnen Blattfiedern bewirken. Die an der Pflanze zurückbleibende Wunde wird durch eine Korkschicht geschlossen. Ein dem L. eigentümliches Moment ist seine regelmäßige Periodizität, bezüglich deren jede einzelne Baumart ihre eignen Gesetze hat, um sich den ungleichen Bedingungen trockner oder feuchter, kalter, gemäßigter oder warmer Klimate anzuschmiegen. Die Erscheinung läßt sich kaum anders als eine ursprünglich durch Anpassung an das Klima erlangte, später aber durch Vererbung auf die Nachkommen übertragene und somit eingeborne Eigenschaft auffassen. Die durch den L. eingeleitete Periode der Vegetationsruhe zeigt auch Analogie mit dem Sommer- und Winterschlaf gewisser Tiere, bei dem ebenfalls der Stoffwechsel bis auf die äußerst untere Grenze herabgesetzt erscheint. Die Entlaubung der Pflanzen entspricht durchaus der unterdrückten Nahrungsaufnahme bei den Tieren. Vorzeitiger L., der sich nicht selten, besonders an Linden und Roßkastanien, in den Alleen und Anlagen der Städte einstellt, ist eine Krankheitserscheinung, als deren direkte Ursache eine kleine rote Milbe (Tetranychus telarius) angesehen wird, die besonders in heißen, trocknen Sommern in ungeheurer Menge an den Blättern auftritt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 233.
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