Meineid

[553] Meineid (vom mittelhochd. »mein«, d. h. falsch, Falscheid, lat. Perjurium), eine falsche Aussage oder Versicherung, zu der man die Anrufung Gottes mißbraucht. Das kanonische Recht und das ältere deutsche Recht, namentlich die sogen. Carolina, die (Art. 107 u. 108) den M. mit Abhauen der Schwurfinger bestrafte, ja sogar noch das sächsische und thüringische Strafgesetzbuch behandelten die Tat als Religionsverbrechen, während das moderne Strafrecht den M. als Verbrechen gegen öffentliche Treue und Glauben auffaßt, so namentlich auch das deutsche Reichsstrafgesetzbuch, das den M. im Abschnitt 9 als besonderes Verbrechen abhandelt. Es begreift unter M. im allgemeinen den vorsätzlich falschen Parteieid im Zivilprozeß (M. im engern Sinne, Strafe Zuchthaus von 1–10 Jahren, § 153) und das vorsätzlich falsche beschworne Zeugnis und Gutachten (gleiche Strafe, bei schwerem Erfolg noch erhöht, § 154). Wissentlich falsche Versicherung an Eides Statt, d. h. falsches Handgelübde u. dgl., ist mit Gefängnis von 1–3 Jahren bedroht (§ 156). Während andre Gesetzgebungen immer Vorsätzlichkeit und Wissentlichkeit voraussetzen, kennt das Reichsstrafgesetzbuch auch den fahrlässigen Falscheid (§ 163, Gefängnis von einem Tag bis zu einem Jahr). Wohl zu scheiden von »Versicherung an Eides Statt« ist es, wenn gewisse Religionsgesetze die Ablegung eines Eides verbieten und die Gesetze den Religionsgenossen statt des Eides eine feierliche Beteurungsformel gestatten. Diese Beteurungen gelten dem Eid gleich, und ihre Falschheit wird als M. oder fahrlässiger Falscheid bestraft (§ 155). Das Reichsstrafgesetzbuch hat aber auch die unternommene Verleitung zum M. (§ 159) sowie die Verleitung zum Falscheid, bei dem der Schwörende in gutem Glauben eine unwahre Tatsache eidlich erhärtet (§ 160), als besondere Vergehen behandelt; die letztere dieser beiden Strafdrohungen unterliegt (nach v. Liszt u. a.) erheblichen Bedenken. Rechtzeitiger Widerruf bewirkt Strafermäßigung beim vorsätzlichen M. (§ 158), Strafaufhebung beim fahrlässigen Falscheid (§ 163). Andre Strafermäßigungsgründe stellt § 157 auf. Als eigentümliche Nebenstrafe beim M. findet sich (§ 161) die dauernde Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden. Das österreichische Strafgesetzbuch (§ 199 a, 204) behandelt den M. als eine Art Betrug und bestraft denselben unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Interessen, die durch den M. geschädigt wurden. Das beste Mittel, dem M. entgegenzutreten, ist die sparsamere Anwendung des Eides in eigner und fremder Sache sowie die Einführung einer feierlichen Form bei Abnehmung des Eides, wie sie früher üblich war; es sei denn, daß man die Lüge vor Gericht überhaupt unter Strafe stellt und den Eid ganz abschafft. Eine hierauf gerichtete Bewegung in Deutschland gewinnt mehr und mehr Anhänger. Vgl. Liszt, M. und falsches Zeugnis (Wien 1876) und Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde (Graz 1877); Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, besonderer Teil, Bd. 2, S. 128 bis 168 (Leipz. 1904). S. auch Eid.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 553.
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