Molé

[32] Molé, 1) Matthieu, ausgezeichneter franz. Staatsmann, geb. 1584, gest. 3. Jan. 1656, Sohn Edouard Molés (gest. 1614), des eifrigen Anhängers Heinrichs IV., wurde 1614 Generalprokurator und 1641 erster Präsident des Pariser Parlaments. In den Unruhen der Fronde suchte er den Frieden zwischen Krone und Parlament zu vermitteln; auch bei den Aufständen des Pariser Pöbels bewies er große Festigkeit. 1650 ward er zum Siegelbewahrer ernannt. Seine »Mémoires« hat Champollion-Figeac herausgegeben (Par. 1855–58, 4 Bde.). Vgl. Barante, Le Parlement et la Fronde. La vie de Mathieu M. (Par. 1859). – Ein Nachkomme Molés war Edouard François Matthieu M. de Champlâtreux, geb. 5. März 1760, der 1788 zum Parlamentspräsidenten ernannt wurde und 20. April 1794 unter der Guillotine starb. Dessen Sohn:

2) Matthieu Louis, Graf, franz. Ministerpräsident, geb. 24. Jan. 1781 in Paris, gest. 23. Nov. 1855, lebte während der Revolution in der Schweiz und in England, kehrte um 1796 in sein Vaterland zurück, erwarb sich durch den »Essai de morale et de politique« (Par. 1806, 2. Aufl. 1809), worin er die Herrschaft Napoleons I. als eine politische Notwendigkeit darlegte, die Gunst des Kaisers, ward nach glänzender Beamtenlaufbahn Graf des Kaiserreichs und 1813 Justizminister (Grand juge). Bei der Abdankung NapoleonsI. schloß er sich den konstitutionellen Royalisten an. Im August 1815 wurde er zum Pair von Frankreich erhoben; 1815–18 war er im Kabinett Richelieu Marineminister. Nach der Julirevolution erhielt er im ersten Ministerium Ludwig Philipps das Departement des Auswärtigen, erlangte die Anerkennung des Julikönigtums seitens der auswärtigen Mächte, indem er die Politik der Nichtintervention proklamierte, mußte aber schon 2. Nov. 1830 dem Herzog von Broglie weichen. Nach dem Rücktritt des Ministeriums Thiers (25. Aug. 1836) wurde er mit der Bildung eines neuen, dem König durchaus unterwürfigen Kabinetts beauftragt, in dem er selbst den Vorsitz und das Ministerium des Auswärtigen übernahm. Da Molés äußere Politik wegen der RäumungAnconas und Belgiens die heftigsten Angriffe von allen Parteien erfuhr, mußte er 8. März 1839 mit seinen Kollegen seine Entlassung nehmen. 1840 wurde er Mitglied der französischen Akademie. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 trat er ins Privatleben zurück. Durch seinen edlen, vornehmen Charakter war er ein trefflicher Vertreter der alten französischen Gesellschaft. Mit ihm erlosch der Name seiner Familie. Außer dem genannten »Essai de morale et de politique« veröffentlichte er zahlreiche politische und akademische Reden und Abhandlungen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 32.
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