Montefeltro

[93] Montefeltro, Gebirgslandschaft in der Romagna, südwestlich von San Marino, deren Mittelpunkt die Bergfeste San Leo bildet, die im Mittelalter auch M. genannt wurde, heute ein kleiner Ort von wenigen hundert Einwohnern. Hierhin flüchtete sich 962 Berengar I. von Italien vor dem Kaiser Otto I., und die Felsenburg übergab sich erst nach längerer Belagerung gegen das Ende des Jahres 964. Die Landschaft bildete eine Grafschaft, die dem Erzbistum Ravenna vom Reiche verliehen war, stand aber im[93] 12. Jahrh. unter eignen Grafen, die ständig als Führer der Ghibellinenpartei in der Romagna erscheinen; sie werden mehrfach im Gefolge der staufischen Kaiser genannt und erwarben im 13. Jahrh. unter Friedrich II. auch die Herrschaft über Urbino. Ein berühmter Feldherr war Guido von M., der sich schon 1267 an Konradin anschloß und 1268 von Rom aus, das er für die ghibellinische Sache behauptete, seinen Zug nach Süden unterstützte, nach der Schlacht von Tagliacozzo aber den flüchtigen Staufen nicht in das Kapitol aufnahm, sondern dieses treulos an die Guelfen verkaufte. 1275 erfocht er an der Spitze der Ghibellinen von Bologna einen großen Sieg über ihre guelfischen Gegner bei San Procolo. Nach der Abtretung der Romagna an den Papst durch Rudolf von Habsburg 1278 trat er an die Spitze einer ghibellinischen Erhebung gegen die päpstliche Herrschaft in diesem Lande. Nach mehrjährigem Kampfe, in dem er 1. Febr. 1282 den Guelfen bei Forlì eine blutige Niederlage beibrachte, mußte er sich 1283 der Übermacht der Kirche unterwerfen und nach Asti in die Verbannung gehen. 1288 beriefen ihn die Ghibellinen von Pisa zu ihrem Podestà und Kapitän, und ungekümmert um den päpstlichen Bann, der ihn aufs neue traf, befehligte er ihre Streitmacht tapfer bis zum Friedensschlusse. Von Bonifatius VIII. wurde er 1295 begnadigt und erhielt seine Besitzungen in Forli und Cesena zurück, die er aber im Februar 1296 wieder verlor. Am Ende dieses Jahres trat er, lebensmüde, in ein Franziskanerkloster zu Ancona; er starb 29. Sept. 1298. Dante läßt ihn im 27. Gesang der Hölle auftreten. Sein Sohn Federigo war gleichfalls ein Führer der Ghibellinenpartei und wurde 1312 von dem Kaiser Heinrich VII. zum Generalvikar von Pisa ernannt. Johann XXII. ließ das Kreuz gegen ihn predigen. 1322 brach in Urbino ein Aufstand gegen seine Herrschaft aus; er flüchtete in die Zitadelle, mußte sich aber ergeben und wurde 26. April ermordet. Sein Sohn Nolfo gelangte wieder in den Besitz von Urbino und Cagli, schloß sich 1333 an den König Johann von Böhmen an, mußte sich aber 1355 mit seinem Bruder Enrico dem päpstlichen Kardinallegaten Albornoz (s. d.) unterwerfen. 1359 geriet er mit dem Kardinal aufs neue in Konflikt und mußte landflüchtig werden. Sein Ende ist unbekannt. Erst Nolfos Enkel Antonio erlangte um 1375 seine Herrschaften zurück und erkannte die päpstliche Oberhoheit an. Er starb 1404; seine Gedichte sind 1819 in Rimini herausgegeben. Sein zweiter Nachfolger, Oddo Antonio von M., wurde 22. Juli 1444 wegen seiner Tyrannei ermordet. Ihm folgte sein unehelicher Bruder Federigo, geb. 1422, gest. 10. Sept. 1482, einer der berühmtesten Kriegsmänner des 15. Jahrh., der, auch nachdem er die Herrschaft von Urbino angetreten hatte, als Condottiere im Dienste Francesco Sforzas, des Papstes Pius II., des Königs Ferrante von Neapel focht, insbes. aber mit dem Nachbarfürsten Gismondo Malatesta von Rimini in unablässiger Fehde lag. Außerdem aber war er ein bedeutender Gelehrter und ein verständiger Gönner von Wissenschaft und Kunst. In Urbino ließ er sich einen Palast bauen, der als ein Wunderwerk angestaunt wurde; er ließ die Schriften des Aristoteles und andrer griechischer Autoren übersetzen und brachte eine reiche Bibliothek zusammen; sein Hof war einer der glänzendsten Italiens; seine Soldaten und seine Untertanen liebten und ehrten ihn. Er wurde 1474 von Sixtus IV. zum Herzog von Urbino erhoben (vgl. Baldi, Vita e fatti di Federico di M., Rom 1824; Th. Hofmann, Bauten des Herzogs Federigo di M. als Erstwerke der Hochrenaissance, Leipz. 1905). Mit seinem Sohne Guidobaldo, der wie sein Vater Condottiere wurde, aber auch mit seiner edlen Gemahlin Elisabeta Gonzaga den Ruhm des Hofes von Urbino aufrecht zu erhalten verstand, starb 1508 das Haus der Grafen von M. aus; das Herzogtum ging an den Neffen und Adoptivsohn Guidobaldos, Francesco Maria della Rovere, über. Vgl. Bembus, De Guidobaldo et Elisabeta Gonzaga ducibus (Vened. 1530); Leoni, Vita di Francesco Maria di M. della Rovere (das. 1605); Baldi, Della vita e de' fatti di Guidobaldo I da M. (Mail. 1821, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 93-94.
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