Nanking [2]

[407] Nanking (»südliche Hauptstadt«, im Gegensatz zu Peking, »nördliche Hauptstadt«, offiziell Kiangning), Hauptstadt der chines. Provinz Kiangsu, am Südufer des Yangtsekiang, 210 km von seiner Mündung, war bis Ende des 14. Jahrh. lange die Hauptstadt des chinesischen Reiches und damals wohl die größte und volkreichste Stadt der Erde mit 30 km Umfang und über 800,000 Einw. Doch schwand ihre Größe seit der Verlegung der Hauptstadt nach Peking und der Herabsetzung von N. zur gelegentlichen Sommerresidenz, die es jetzt auch zu sein aufgehört hat. Einen neuen Aufschwung nahm N. während der Revolution der Taiping (s. China, S. 51), wo N. mit damals 400,000 Einw. seit 1853 Mittelpunkt des neuen Reiches war, bis es 1864 von den Kaiserlichen erobert und von Grund aus zerstört wurde, wobei nebst andern Prachtbauten auch der berühmte, 165 m hohe, achteckige, neunstöckige Porzellanturm fiel. Seitdem teilweise neu aufgebaut, ist N. jetzt Sitz des Generalgouverneurs von Liang Kiang (die Provinzen Kiangsu, Nganhwei und Kiangsi umfassend), eines Mandschugenerals, des Gouverneurs von Kiangsu und eines deutschen Berufskonsuls. Die chinesische Regierung hat N. zu einer wichtigen Militärstation gemacht, eine Marineschule, Geschützgießerei und ein Arsenal errichtet, auch hat die Stadt, die jetzt 225,000 Einw. haben soll, darunter 50,000 Mohammedaner, ihren ersten Rang als Hauptsitz chinesischer Künste und Wissenschaften wiedergewonnen; jährlich kommen an 12,000 Kandidaten hierher, um ihr Examen abzulegen. Große Bibliotheken und Druckereien bestehen hier gleichfalls, die letztern mit chinesischem und europäischem Material. Die rege Industrie stellt aus der gelblichen, in der Umgegend wachsenden Baumwolle die als »Nankings« bekannten Stoffe sowie schönen Samt her. Als Handelsplatz ist N. jedoch durch das nahe Tschinkiang (s. d.) überflügelt worden und hatte im auswärtigen Verkehr 1901 nur 10,000 Taels Einfuhr und 468 Taels Ausfuhr. Weite Flächen innerhalb der alten Mauer sind jetzt Acker, Jagdgrund oder Trümmerfeld, zum letztern gehören die Gräber der Mingdynastie mit ihren Alleen von Kolossalfiguren von Menschen und Tieren.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 407.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: