Petschenēgen

[673] Petschenēgen (Petscheneger, Patzinaken), wildes Nomadenvolk türkischen Stammes, von den Russen Petschenegi, von den Deutschen Pecinacer oder Picenacer, von den Griechen Bissener genannt und sich selbst Kangli oder Kangar nennend, wohnte ursprünglich im N. des Kaspischen Meeres zwischen der Wolga und dem Jaik und ward durch die Wolga von den Chasaren geschieden, während es im O. und SO. die Uzen (Kumanen oder Polowzer) zu Nachbarn hatte. Um 860 wurden die P. durch die verbündeten Chasaren, Ghuzen und Slawen aus ihren Wohnsitzen zwischen Don und Ural vertrieben, wendeten sich in die heutige Ukraine, verheerten Bessarabien, die Walachei und Moldau und verdrängten 862 die Ungarn über den Dnjepr nach Bug und Dnjestr hin, 889 noch weiter westwärts. Das Reich der P. erstreckte sich damals vom Don bis zur Aluta in Siebenbürgen. Sie zerfielen in acht große Stämme; ein Teil war seit 915 zum Islam bekehrt. Später war besonders das byzantinische Reich ihren Angriffen ausgesetzt. Von den Byzantinern erhielten sie Geld, um die Ungarn und Bulgaren, besonders aber die Russen zu bändigen, die sich ebenfalls um ihre Freundschaft bewarben. Der russische Großfürst Igor schloß 941 das erste Bündnis mit ihnen; 970 zogen sie vereint mit den Russen unter Swjatoslaw gegen Byzanz, erlitten aber durch den kaiserlichen Feldherrn Bardas eine Niederlage und erschlugen 973 Swjatoslaw auf dem Rückzug. Der heilige Bruno von Querfurt besuchte kurz vor 1008 die P., um sie zum Christentum zu bekehren, was aber nur zum Teil gelang. Um 1045 wurden die bereits durch Jaroslaw von Kijew gedemütigten P. durch die Kumanen aus den Gebieten westlich vom Dnjepr vertrieben; eine schwere Niederlage erlitten sie dann 29. April 1091 bei Lebunion durch Kaiser Alexios. Zur Zeit der Kreuzzüge finden wir sie besonders in Serbien und Bulgarien, wo sie den durchziehenden Kreuzfahrern sehr beschwerlich fielen. Im 12. Jahrh. hatten sie noch einen kleinen Teil von Siebenbürgen im Besitz; doch waren sie schon größtenteils den Magyaren steuerpflichtig, verschmolzen dann mit ihnen und verschwinden im 13. Jahrh. fast spurlos aus der Geschichte. Vgl. Neumann, Die Völker des südlichen Rußland (Leipz. 1846); Jireček, Einige Bemerkungen über die Überreste der P. und Kumanen im heutigen Bulgarien (Sitzungsberichte der böhmischen Akademie der Wissenschaften, Prag 1889); Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge (Leipz. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 673.
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