Kumānen

[795] Kumānen (Komanen), ein türk. Steppenvolk, bei den Byzantinern Uzen, bei den Ungarn Kunok, bei den slawischen Völkern Polowzen (»Bewohner der Flächen«) genannt, brachen um 1045 aus der Steppe am Kuma (s. d. 1) in Europa ein: häßliche, kahl geschorne Reiter, mit Pfeil und Bogen bewehrt und leichte Kähne zum Überschreiten der Ströme mit sich führend. Sie verdrängten zunächst das verwandte Volk der Petschenegen aus den Steppen von der Krim bis zur untern Donau, fielen 1064, an die 60,000 Köpfe stark, im Rhomäerreich ein und beunruhigten dauernd dessen Grenzen, bis sie teilweise von Byzanz selbst erkauft wurden und nun ihrerseits, z. B. 1091 dem Kaiser Alexios, die wilden Petschenegen abwehren halfen. 1070 drangen sie zum erstenmal in Ungarn ein, wurden jedoch von König Salomon zurückgeschlagen. Bei einem zweiten Einfall 1089 brachte ihnen Ladislaus I. an der Temes eine Niederlage bei und siedelte den Teil der Gefangenen, der sich für Annahme des Christentums entschied, in Jazygien an. Ein zweiter Sieg Ladislaus' über die in ihren Wohnsitzen an der untern Donau zurückgebliebenen K. sicherte Ungarn längere Zeit vor ihren Angriffen. Als im 13. Jahrh. die Mongolen in Europa eindrangen, schlug Chan Kuthen die Mongolen zweimal zurück, wurde aber von Batu 1235 besiegt und[795] mußte mit 7 Stämmen (40,000 Familien) nach Ungarn fliehen, wo König Béla IV. ihnen das Land zwischen Theiß und Donau anwies; ein zweiter Teil der K. fand Zuflucht in Bulgarien, Thrakien und in Kleinasien und wurde von den Kaisern zu Militärzwecken verwandt, während der Rest, den Grund zum Völkergemisch der Nogai-Tataren bildend, in der Moldau, Walachei und nördlich vom Asowschen Meere verblieb, weshalb dies Gebiet noch lange Cumania hieß. In Ungarn blieben sie ihren rohen Gebräuchen und der nomadischen Lebensweise sowie dem Götzendienst getreu und widersetzten sich den Versuchen Bélas, sie zum Christentum zu bekehren. König Ladislaus IV., der den Beinamen der »Kumane« erhielt, begünstigte sogar ihr zuchtloses Treiben, lebte unter ihnen, gestattete die heidnischen Opfer und stellte die K. den Magyaren gleich. Da ließ Papst Nikolaus IV. 1287 das Kreuz gegen die K. predigen und zwang den König, sich von ihnen loszusagen. Die K. rächten sich durch Raubzüge; Ladislaus wurde 1290 von ihnen ermordet. Erst in der Mitte des 14. Jahrh. wurden sie mit Gewalt zum Christentum und zur Annahme magyarischer Sitten gebracht. Ihre Nachkommen bewohnen Groß- und Kleinkumanien, waren bis 1638 mit großen Vorrechten ausgestattet, sind aber jetzt magyarisiert (s. Kumanien). Vgl. Blau, Über die Nationalität und Sprache der K. (in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, 1876, Bd. 23); Jireček, Einige Bemerkungen über die Überreste der Petschenegen und K. im heutigen Bulgarien (in den »Sitzungsberichten der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften«, 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 795-796.
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